Wenn sie es nicht wissen, kommen
sie zu dir ins Büro oder zu dir nach Hause. Stellen ein paar Fragen, machen
sich Notizen. Verschwinden wieder. Wenn sie es wissen, bestellen sie dich in
ihr Büro. Drohen dir, haben Indizien oder klare Beweise.
Als mich die Empfangsdame anrief
und sagte, zwei Herren von der Polizei wollten mich sprechen, wusste ich, dass
ich ein Problem hatte. Aber wieviel wussten die Polizisten von meinem Problem?
Also sagte ich ihr, ich würde gleich zu ihnen hinunterkommen.
Ich fuhr mit dem Fahrstuhl in
die Tiefgarage und stieg in mein Auto. Zum Flughafen Hahn sind es nur dreißig
Kilometer. Ich stellte den Wagen auf dem Langzeitparkplatz ab. Hier würde er in
den nächsten Wochen nicht weiter auffallen. Dann ging ich ins Flughafengebäude
und sah mir die nächsten Abflüge an.
Palma de Mallorca. In vierzig
Minuten. Ich ging zum Schalter und kaufte mir ein Ticket. 67 Euro mit Ryanair.
Den Rückflug würde ich nicht brauchen, aber an ein einen Passagier, der nur den
Hinflug bucht, würde sich die Frau am Schalter vielleicht erinnern. Ich zahlte
bar, um keine weiteren Spuren zu hinterlassen.
Wie auf jedem Flughafen gab es
schlecht bezahlte Security-Fritzen von Privatfirmen, die einfach nur ihre Ruhe
haben wollten. Bullen der untersten Hierarchiestufe, die ihren eigenen Arsch
noch nicht mal mit einem Stock und einem Spiegel finden würden. Und auf den
kleinen Provinzflughäfen arbeitete sowieso nur die Kreisklasse. Niemand warf
einen Blick auf meinen Personalausweis, niemand wunderte sich, dass ich kein
Gepäck dabeihatte.
Mit 120 Malle-Deppen zwängte ich
mich ins Flugzeug. Ich wusste, dass sie zwei Stunden später bei der Landung
klatschen würden, und sie taten es wirklich. Vom Flughafen in Palma ließ ich
mich mit einem Taxi an den Hafen bringen. Ich erwischte gerade noch die
13-Uhr-Fähre nach Barcelona. Als ich acht Stunden später ankam, dämmerte es
bereits. Ich ging in ein Restaurant auf den Ramblas und nahm mir anschließend ein
billiges Hotelzimmer am Hafen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass
international nach mir gefahndet wurde. Nicht jetzt schon.
Am nächsten Tag flog ich nach New
York. 264 Euro mit American Airlines. Diesmal zahlte ich mit Karte. Mein
Bargeld wurde knapp. Aber mein Name stand sowieso auf der Passagierliste. Es
würde eine Weile dauern, bis die Fahndung über Deutschland hinaus ausgeweitet
wurde. Bis dahin wäre ich längst in den USA abgetaucht. Um Geld musste ich mir
keine Sorgen mehr machen. Um Geld war es schließlich gegangen.
Vom JFK ließ ich mich mit dem
Taxi bis zum Central Park fahren. Den Rest des Weges ging ich zu Fuß. Vor drei
Monaten, als alles angefangen hatte, mietete ich unter falschem Namen ein
kleines Appartement in der Upper West Side. West 83rd Street Ecke Riverside
Drive. Nichts Besonderes. Wenn man die Wohnungstür öffnete, stand man direkt im
Wohnzimmer mit Küchenzeile. Dahinter kamen ein Schlafzimmer und ein Bad. Aber
mit Blick auf einen kleinen Park und den Hudson.
Über Western Union ließ ich mir
jeden Monat Geld von meinem Konto in Panama City schicken. Von dort wurde auch
die Miete für mein Appartement überwiesen. In Restaurants und Geschäften zahlte
ich überall in bar. Natürlich würde mein Touristenvisum irgendwann ablaufen,
aber warum sollte das NYPD meinen Ausweis kontrollieren? Ich würde mich
unauffällig verhalten, nicht mit einem Auto fahren, keine Inlandsflüge buchen
oder betrunken durch die Straßen torkeln. Ich fühlte mich sicher.
Bis es eines Tages an meiner Tür
klingelte.
"Ein Roman ist wie der Bogen einer Geige und ihr Resonanzkörper wie die Seele des Lesers."
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