Dienstag, 2. Februar 2021

Zur dialektischen Ambivalenz von Strukturdingsbums und Willstenichwissen

 

Blogstuff 554

„Es hat mich immer zu den einfachen Menschen hingezogen, hatte ich zu Gambetti gesagt. Bei ihnen und nur bei ihnen fühlte ich mich wohl. Sie hatten meine ganze Sympathie.“ (Thomas Bernhard)

Als Kurt Tucholsky schrieb „Was darf die Satire? Alles“, lebte er in der Weimarer Republik. Er war eine Figur des öffentlichen Lebens und Kritik an Nazis war lebensgefährlich. Wenn heute einer mit dem Nick „Arsch & Friedrich“ bei Twitter über Höcke lästert, riskiert er gar nichts. Tucholskys Aussage ist natürlich pathetisch, in der Realität gibt es juristische Grenzen für jede Art von öffentlicher Meinungsäußerung (z.B. Volksverhetzung) und selbstverständlich auch ethische. Wer Witze über Kindesmissbrauch macht, darf gehen. Tucholsky hatte damals mehr Arsch in der Hose als ganz Internet-Deutschland 2021.

Nutztiere und Angestellte unterliegen denselben Prinzipien der Selektion und Modifikation, schreibt Villeneuve in seiner „Kleinen Geschichte der herrschenden Ordnung“. Es werden immer die friedfertigsten und ertragreichsten Exemplare miteinander gekreuzt. Renitente Exemplare, deren Indoktrination gescheitert ist, werden aussortiert und haben keine materiellen Möglichkeiten, Nachwuchs aufzuziehen. So bekommt man nach vielen Generationen das erwünschte Ergebnis.

Das Semikolon ist das zwinkernde Auge der Schriftsprache.

Wohin gehen eigentlich die Frauen, wenn sie keinen Bock mehr auf Patriarchat haben?

A: Ich sammle Pfandflaschen. B: Ha ha ha, ich sammle Eigentumswohnungen. #FDP-Humor

Die Deutschen beklagen sich gern, aber sie ändern nichts. Was sollten diese Schattenparker und Sitzpinkler, diese kleinkarierten Bausparer und Benzinpreisvergleicher auch ändern? Sie sitzen im Winter bei behaglichen 22 Grad auf dem Sofa und haben keine Vorstellung von einer Welt ohne Heizung und einem Polster unter ihrem selbstverliebten Arsch.

Beobachtung am Futterhäuschen. Meisen nehmen ein oder zwei Körner und fliegen dann wieder weg. Amseln hingegen fressen sich minutenlang richtig voll. Ich kann, im Hinblick auf die anfallenden Kosten, die Anschaffung einer Amsel nicht empfehlen.

Gute Lektüre verschafft mir täglich die notwendige Ablenkung von den vielen schlechten Nachrichten. Derzeit lese ich „Doktor Faustus“ von Thomas Mann. Aber was steht auf Seite 152? „Denn als Adrians Landsmann und Intimus (…) war ich freundlich aufgenommener Gast in der Corona der christlichen Verbindung ‚Winfried‘ (…).“ Schon ist man wieder in Gedanken mitten in der Pandemie und hat zu allem Überfluss auch noch die zerknitterte Visage des ersten und hoffentlich letzten Ministerpräsidenten der Grünen vor dem geistigen Auge.

Also Sprach Zarathustra, Op. 30 - Strauss - YouTube

11 Kommentare:

  1. M.E. ist das Wichtigste in Tucholskys Text seine Aussage, dass Satire sich nie gegen die Schwachen, die Minderheiten richtet.
    Diese Aussage sehen leider die wenigsten, sein Text wird immer nur aufs "Alles" eingedampft.

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    1. Inhaltlich stimme ich Ihnen zu, aber Tucholsky äußert sich in seinem berühmten Text nicht zu Minderheiten.

      https://de.wikisource.org/wiki/Was_darf_die_Satire%3F_(Tucholsky)

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    2. Stimmt, Sie haben Recht, auch Reiche sind eine Minderheit ;-)
      Okay, streichen Sie das Wort bitte oben aus dem Kommentar ;-)
      Dann nur Schwache in diesem Fall.

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    3. Auch da muss ich Ihnen leider widersprechen. Tucholsky nennt ausdrücklich Alkoholiker und Prostituierte als Beispiel. Man darf eben jeden in der Gesellschaft durch den Kakao ziehen. Die ganzen Empfindlichkeiten der heutigen Moralapostel und Oberlehrer hätte er auch genüsslich zerlegt. Deutschland 2021: Satire darf alles, bis auf § 1-99.

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    4. Tucholsky hat selbst den Kiezschreiber durch den Kakao gezogen. Beispiel gefällig ?

      "Dem Kiezschreiber muss man Schokolade mitbringen, weil er sonst schlecht funktioniert. Mit Schokolade funtioniert er allerdings nicht besser"

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    5. bitteschön:
      http://www.zeno.org/Literatur/M/Tucholsky,+Kurt/Werke/1924/Bilder+aus+dem+Gesch%C3%A4ftsleben

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  2. Tag des arbeitslosen Duftbaums 2021
    2. Februar 2021 in Deutschland

    Am 02. Februar 2021 wird der geruchsneutrale Tag des arbeitslosen Duftbaums gefeiert. Mit ihm wird allen einfach nur so rumhängenden Duftbäumen gedacht, welche schon längst keine Funktion mehr erfüllen. Zudem wird auf die doppelt dramatische Situation nutzlos gewordener Duftbäume hingewiesen: Sie spenden weder Duft, noch sind sie Baum.

    (Dieser Text wurde von www.kleiner-kalender.de entnommen.)

    Außerdem heute, noch im Angebot:

    Maria Lichtmess
    Welttag der Feuchtgebiete
    Groundhog Day

    *hehe*

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  3. Heute ist der Tag der überfahrenen Kinder.
    Bei mir mehr oder weniger vor dem Haus.
    30er Zone.
    Furchtbar.

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  4. Der Vorteil der Dummheit gegenüber der Klugheit besteht darin, dass man sich nicht erst dumm stellen muss. Das Gegenteil ist schon sehr viel schwerer.

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