Donnerstag, 6. August 2015

Die 68er

„Aufrecht sein Gang, doch nicht sein Verhalten.“ (Günter Kunert)
Ich habe einen „Alt-68er“ persönlich als Kollegen kennengelernt. Als die „Studentenunruhen“ stattfanden, hat er in Berlin ein Ingenieurstudium absolviert. Im Zuge der Ereignisse sattelte er auf Soziologie um und ging nach dem Studium „in die Produktion“, um im Kreise der Arbeiterschaft zu agitieren. An einer Maschine verlor er die Kuppe seines linken Zeigefingers (ein so hochsymbolischer Vorgang, dass es wie ausgedacht klingt) und wurde anschließend von Beruf Soziologe. Er schrieb viele Bücher zum Thema Arbeit, die hauptsächlich von Gewerkschaftsfunktionären gelesen wurden. Jeden Tag kam dieser Mann erst kurz vor Zwölf in sein Büro, ging die Post durch und lief dann zur Kantine hinüber. Den Nachmittag verbachte er meist lesend und telefonierend. Ich hatte niemals einen Kollegen, der so wenig geleistet hat und doch so sehr von sich überzeugt war, wie ihn.
Eine Freundin hatte mal einen „Alt-68er“ als Chef, der 1968 in Frankfurt Soziologie studiert hatte. Bekanntlich waren die Soziologie-, Philosophie- und Politologiestudenten in Berlin und Frankfurt in der Protestbewegung federführend. Er stellte sich auch immer als aktiver „Revoluzzer“ jener Zeit dar, hatte in Wirklichkeit aber nie an einer Demonstration teilgenommen, weil er nur an zwei Tagen in der Woche an der Uni war und den Rest der Zeit bei seiner damaligen Freundin in Marburg verbracht hat. Er wurde übrigens Moderator beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen und ist wie sein Berliner Genosse längst pensioniert. Viel ist von den 68ern nicht geblieben. Die meisten haben es sich nach dem Studium im Staatsdienst bequem gemacht, anstatt die Gesellschaft zu verändern. Und diejenigen aus der Generation, die heute noch beruflich aktiv sind wie beispielsweise Heino oder Schäuble, waren keine 68er.
„Die Reize der vorgestanzten Warenwelt, der industrialisierten Erlebniswelt beherrschen die Freizeit, in die der lange Arm der Arbeit mit den Möglichkeiten der elektronischen Medien permanent hineinreicht, um ein völliges Abdriften des Konsumenten in die Welt seiner Gelüste und Bedürfnisse zu verhindern. Die absorbierte Zeit, Energie und Aufmerksamkeit der Konsumenten wird als Teil der Produktion unmittelbar für die Kapitalakkumulation fruchtbar gemacht, die sich auf diese Weise ad infinitum selbst perpetuiert.“ (Andy „Che“ Bonetti: Die Revolte ist vorbei)
Woody Guthrie & David Rovics - Sacco and Vanzetti. https://www.youtube.com/watch?v=N0sYAU96FY0

6 Kommentare:

  1. Die eigentlichen Adressaten, die Proletarier, waren komplett unbeeindruckt. Die standen am Rand und dachten, wat für Arschlöcher, in den Knast gehören die.
    Das tun die übrigens noch heute.
    Die wollen gar nicht gerettet werden. Die wollen nur genügend Kohle.
    Möglichst mehr als der Kollege.
    Damit Sie eine dickere Karre fahren können.
    Solidarität, vielleicht sogar noch international !
    Wenn ich nicht mehr lachen muss schreibe ich weiter.

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  2. So jetzt geht's wieder:
    Hoch
    die
    internationale......Solidarität
    Hoch
    die
    usw.........

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  3. Was hätte er als Ingenieur Gutes tun können.

    Irgendwo habe ich mal gelesen, das die Linke nichts so sehr verachtet wie das gemeine Volk. Das will einfach nicht verstehen!!1!

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    1. Als Ing. gutes tun ?
      Ich bin Ing., und das einzige was ich tue ist die Macht und das Kapital meiner Auftraggeber zu mehren. Durch bessere und schnellere Masch., die auch noch billiger zu bauen sind und einfacher, sprich durch billigere Arbeitskräfte, zu bedienen sind.
      Und die Brotsamen aufzulesen.

      Eine kurze Auflistung berühmter Ing.:
      Porsche - Leibingenieur des Führers. Spezialität: Panzer.
      Von Braun - SS Mann, spitzen Nazi, Arschloch.
      Messerschmitt - Kriegsgewinnler, Freund des Dicken, Arschloch.

      Jo !

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  4. Ihr habt ja alle - ausser dem braven Verhaltensforscher und Poeten Kunert - so recht!

    Hätte er etwa auf allen Vieren kriechen sollen?

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