Tiergarten. Menschen, Tiere, Sensationen. Mich interessiert nur Jacques Fouquet, den ich irgendwie loswerden muss. Fouquet ist das bretonische Wort für Eichhörnchen und er sieht auch so aus: klein, unruhiger Blick, die Schneidezähne scheinen auf seiner Unterlippe festgeklebt. Und er ist wieselflink. Nicht so bescheuert wie die Iren, sondern hartnäckig. Und kaum zu sehen. Ich laufe quer über eine Wiese und drehe mich regelmäßig um. Nichts. Aber ich weiß, dass er hinter mir ist. Ich habe ihn auf dem Bahnsteig der U 3 gesehen. Diese widerliche kleine Klette.
Ich komme am Kanzleramt und am Reichstag vorbei. Hier gibt es so viele Polizisten in Uniform und Zivil, dass ich mir keine Sorgen machen muss. Ich überquere die Spree und gehe in die gläserne Maschinenhalle des Hauptbahnhofs. Eine unwirkliche Geräuschkulisse. Ich sehe Fouquet, wie er die Brücke überquert. An solchen Stellen kann er sich nicht verstecken. Es gibt keinen anderen Weg zu mir. Alternativlos, denke ich und muss grinsen, als ich zum Kanzleramt hinüberschaue.
Auf der Rolltreppe werfe ich einen kurzen Blick auf die Anzeigentafel. Also gut, Monsieur Fouquet. Begeben wir uns zunächst an Gleis 12. Ein Regionalexpress ins Umland. Ich steige ein, laufe durch den ganzen Zug und setze mich in der Nähe der Tür. Er fährt erst in fünf Minuten. Aber ich habe nur noch zwei Minuten Zeit.
Ich renne los. Durch die Tür, die Treppe hinab. Ich renne auf der Rolltreppe, wo ich über diverse Koffer klettern und mich im Zickzack bewegen muss. Links heißt gehen, rechts heißt stehen. Die reisende Menschheit hat es vergessen. Das sieht man schon an den Wahlergebnissen.
Im Untergeschoss wartet der ICE. Noch dreißig Sekunden. Hoffentlich fährt er pünktlich ab. Ich springe hinein. Ich setze mich an einen Fensterplatz, schwer atmend.
Da! Fouquet kommt die Rolltreppe herabgesprungen.
Du bist zu spät, mein kleiner Freund. Die Türen sind geschlossen. Der Zug rollt an.
Aber er fährt nur bis zur nächsten Station. Endhaltestelle. Das macht nichts. Fouquet wird eine Weile brauchen, bis er am Bahnhof Gesundbrunnen ist. Ich steige die Treppen hinauf und stehe auf dem Vorplatz. Das Bahnhofsgebäude ist neu. Postmongolische Architektur.
Ich überlege. Zurück ins Hotel? Unmöglich. Raus aus der Stadt. Das ist das Beste. Und möglichst unauffällig.
Ohne nachzudenken, steige ich in den nächsten Zug. Es ist ein Regionalexpress. Ich setze mich in die obere Etage auf der dem Bahnsteig abgewandten Seite, so dass man mich von dort nicht sehen kann.
Aber ich kann den Bahnsteig auch nicht sehen. Hat Fouquet einen Komplizen? Wer ist noch hinter mir her? Habe ich die anderen Teams wirklich abgehängt?
Hätte ich nur auf meine Eltern gehört, als sie mich davor gewarnt haben, Musikethnologie in Göttingen zu studieren. Dann müsste ich nicht diesen absurden und mies bezahlten Job machen. Chinesische Badezimmerarmaturen. Auf Provisionsbasis. Dann würde ich auch nicht in solchen Absteigen wie dem „Bonghole“ rumhängen. Und dann wäre ich auch nicht in dieser Scheiße gelandet.
Endlich fährt der Zug los. Ich fühle mich zum ersten Mal seit Stunden sicher und hole das schwarze Notizbuch aus der Innentasche meines Mantels. Blödes Ding! War es den Stress überhaupt wert? Ich sehe mich ein letztes Mal um und schlage die erste Seite auf.
Lesen Sie morgen im vierten Teil:
Tödliches Duell im Tunnel.
Zweikampf am Rande eines unglaublich tiefen Abgrunds.
Die geheimnisvolle Lady mit den Schlangenaugen.
Was steht im schwarzen Notizbuch?
Wird es unser gut durchbluteter junger Held schaffen?
Wo endet das alles?
The Jesus and Mary Chain - Just Like Honey. https://www.youtube.com/watch?v=470HnRobKLc
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