Dienstag, 29. April 2014

Leidenschaft, Teil 6

Ich bin gerne unterwegs. Ob auf Reisen in fernen Ländern oder auf Wanderschaft in der näheren Umgebung. Manchmal packt dich das Fernweh und nach einer Weile hast du dann Heimweh. Ich genieße dieses Wechselspiel der Gefühle. Ein Tag im Wald mit guten Freunden ist ein gelungener Tag. Besonders schön ist es im Oberengadin, am Silser See und im Fextal. Oder im winzigen Bilderbuchdorf Soglio kurz vor der italienischen Grenze. Die Luft ist unglaublich gut und der Himmel strahlend blau. Hier kann man in einer einzigen Herbstwoche sämtliche Jahreszeiten erleben, es schneit ein paar Stunden und schon bist du in einer völlig neuen Landschaft. In abgelegenen Gasthöfen und Berghütten kehren wir zu Brotzeit oder Rösti ein. Aber nicht nur in der Schweiz lässt es sich aushalten. Das Morgenbachtal im Binger Wald kann genauso bezaubernd sein wie die White Mountains in Neuengland. Am 1. Mai fahre ich in die Fränkische Schweiz zwischen Bamberg und Bayreuth. Reden und Wandern, Essen und Trinken. Auf Reisen braucht man weder Fernsehen, Internet oder Handy.
Diese Welt ist voller schöner Orte. Die endlosen einsamen Strände von Bahia, wo du nur gelegentlich mal einen Fischer triffst. Die mächtigen Sequoias in Kalifornien, deren Rinde so weich ist wie das Fell eines Tieres. Der nächtliche Blick aus dem Panoramafenster eines Appartements im 35. Stock auf die Wolkenkratzerkulisse Tokios. Die Prager Altstadt. Die freundliche Neugier der Kinder in afrikanischen Dörfern, wo wir einen Entwicklungshelfer besucht haben, oder im Supermarkt einer chinesischen Provinzstadt, wo die Kleinen stolz ihr Schulenglisch an mir erprobt haben. Überhaupt ist die Gastfreundschaft manchmal verblüffend. In einem sympathischen Küstenkaff namens Cambria hat uns mal ein Kellner nach einem späten Frühstück kurz vor Zwölf – er hatte Schichtende – mit zu sich nach Hause genommen, wo er uns sein kleines Tonstudio und seine eigenen Kreationen vorführte. Am Abend zuvor hatte ich den Autoschlüssel unseres Mietwagens abgebrochen, als ich versucht habe, mit ihm eine Flasche Wein zu öffnen. Zunächst mussten wir also an diesem Morgen einen Schlüsselmacher auftreiben. Ein anderes Mal stand eine ältere Dame im Restaurant vom Nachbartisch auf, begrüßte uns ganz herzlich in ihrem Land und fragte, ob sie etwas für uns tun könne.
Ich erinnere mich an die Tauchergruppe, die wir an der Steilküste der walisischen Insel Anglesey getroffen haben. Wir standen mit einer kühlen Dose Guinness auf der Wiese und schauten auf die Irische See, als der erste Mann im Taucheranzug über die Felskante kletterte. Langsam machte ich ein paar Schritte nach vorne und schaute auf das Meer hinunter. Zwei Dutzend Menschen schwammen dort unten, einige kletterten gerade die Felsen hinauf und sammelten sich alsbald in unserer Nähe. Es war wie im Film. James Bond nix dagegen. Und dann kam auch noch eine wunderschöne Frau, die Tauchermaske in der Hand (Flossen und Sauerstofftank lagen bereits auf dem Gras), zu uns herüber und gab mit der ausgesuchten Höflichkeit vornehmer Briten ihrer Hoffnung Ausdruck, uns auch um Gottes Willen nicht gestört zu haben. Ich schüttelte nur mit einem verlegenen Lächeln den Kopf. Mich stört nichts. Höchstens, dass mir kein intelligenter Satz einfällt, wenn ich auf die Schnelle mal einen brauche. Ich bin auf einer Reise und staune.
Es ist vor allem dort schön, wo die Ikonen der westlichen Konsumwelt fern sind. Aber die grauen Herren von der Zeit-Spar-Kasse fressen sich durch jedes Land. Flughäfen und Innenstädte sind die Brückenköpfe der Kommerzialisierung. Selbst in einem lamaistischen Kloster im Wutai Shan-Gebirge trugen die jungen Mönche Turnschuhe und amerikanische Schirmmützen, sie benutzten Handys und anderes Kleingerät. Ein Mönch sprach mich mit den Worten „Hello, money!“ an und streckte seine Hand aus. Eine solche Begegnung ist für beide Seiten kein Kompliment. Von all diesen Reisen habe ich weder Bilder noch Souvenirs mitgebracht, aber viele Erinnerungen und Notizbücher voller kleiner Geschichten.
P.S.: Das passende Musikstück ist eine Hommage an eine der wunderbarsten Städte der Welt: Barcelona. Queen und Montserrat Caballé. http://www.youtube.com/watch?v=ZDGubnE3Fus

1 Kommentar:

  1. Hey Matte..
    Du hast Schweppenhausen vergessen, denn dort gibt es das beste Schweppes, grins.
    Schönen Tag für dich...
    Gruß aus Berlin...
    Hubert

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