Donnerstag, 24. April 2014

Leidenschaft, Teil 1

Ich bin schon oft gefragt worden, warum ich mir denn um Himmels Willen Formel 1-Rennen anschaue. Das ist nicht einfach zu erklären. Zum einen mache ich es seit meiner Kindheit. Die Fußballweltmeisterschaft 1974 war die Initialzündung für meine Fußballbegeisterung und im gleichen Jahr habe ich angefangen, mich für Autorennen zu interessieren. Die Wurzeln der Leidenschaft verlieren sich in der frühen Kindheit, als ich mit Matchbox-Autos gespielt habe und ganz einfach einen Lamborghini Miura schöner fand als den Mainzer Dom. Zum anderen führt die Frage „Warum?“ in eine völlig falsche Richtung. Denn rationale Gründe und logische Ursache-Wirkung-Ketten lassen sich für das Interesse an diesem Sport nicht finden. Die Formel 1 ist nutzlos und schädlich, ganz klar. Die Leidenschaft speist sich also aus anderen Quellen, die der Vernunft und dem Verstand nicht zugänglich sind.
Im Fernsehen geht viel von der Atmosphäre eines Rennens verloren. Formel 1 heißt süßer, ohren- und hirnbetäubender Lärm, heißt ungeheure Geschwindigkeit, heißt Nervenbeben und Pulsrasen und hieß zumindest früher noch Angst. Angst um das Leben deines Fahrers und vielleicht sogar um das eigene Leben, denn in der Vergangenheit starben auch regelmäßig Zuschauer bei den Veranstaltungen. Der Geruch von verbranntem Gummi und Benzin. Hunderttausend Menschen sitzen mit dir im Motodrom und du fieberst gemeinsam mit ihnen um den Sieg. Die Nackenhaare stellen sich auf, kalte Schauer laufen über deinen Rücken und du schwitzt die ganze Zeit. Die Rationalität eines abendländischen Menschen wird für die Stunden eines Rennens durch die tierhafte Anspannung als Fan relativiert. Man vergisst alles andere und ist hinterher wirklich geschafft. Es ist etwas Irrationales, Bauchmäßiges und Geistfernes, das einem Außenstehenden schwer zu erklären ist, weil es sich nicht einfach in Worte fassen lässt.
Mit der Formel 1 verbinde ich aber auch eine Menge guter Erinnerungen. Ich blicke von meinem Schreibtisch auf ein sehr schönes, ganz in Schwarz gehaltenes Veranstaltungsplakat vom „John Player Special British Grand Prix“, den ich am 22. Juli 1984 gesehen habe. Damals haben wir uns schon in der Nacht mit unseren Campingstühlen und einem Kasten Bier in die Schlange der Fans gesellt, um am nächsten Morgen beim Kampf um die besten Stehplätze ganz vorne mit dabei zu sein. Es war ein herrlicher Tag. Das Rahmenprogramm begann schon Stunden vor dem Rennen. Formel 1-Fans sind wie Heavy Metal-Fans süchtig nach Lärm. Und lauter als ein Formel 1-Rennen ist keine Band der Welt. Als Höhepunkt des Vorprogramms donnerte eine Concorde im Tiefflug über das Motodrom. Gott, war das schön! Die Kinder schrien vor Schmerz, Hunde drehten völlig durch, aber die Fans blickten andächtig lächelnd in den Himmel. Nach dem Rennen gelangten wir durch ein Loch im Zaun gegenüber der Boxengasse auf die Strecke. Überhaupt konnte man, wenn kein Training war, ziemlich leicht in die Boxengasse kommen. Man konnte sogar durch die Boxen selbst spazieren und sich die Rennwagen aus der Nähe anschauen, nur bei McLaren und Ferrari ging das nicht. Wir haben mit Sir Frank Williams gesprochen und ich habe dem späteren Sieger Niki Lauda die Hand geschüttelt. Man hat damals für den Eintrittspreis von zehn britischen Pfund eine Menge geboten bekommen.
Ich habe auch deswegen so gute Erinnerungen an die Formel 1, weil wir natürlich nicht nur die Rennen gesehen haben. Beim Grand Prix von Monaco waren wir insgesamt eine Woche an der Cote d’Azur und haben uns auch Nizza, Cannes und Antibes angeschaut. Nach dem Grand Prix in Monza waren wir eine Woche in der Toskana. Wir haben uns Kultur gegönnt wie die Uffizien in Florenz oder die Tate Gallery in London, erfüllten aber zugleich auch so manches Fan-Klischee: Wir schliefen auf dem Campingplatz oder in einem Wohnmobil, wir hatten Dosenbier und Snickers zum Frühstück und ich besitze noch heute eine brasilianische Flagge. Inzwischen sehe ich mir die Rennen nur noch im Fernsehen an. Seit 2009 bin ich Vettel-Fan und blicke mit der Gelassenheit von vier Weltmeistertiteln auf das aktuelle Geschehen.
„Warum?“ Echte Freunde fragen nicht. Sie akzeptieren es.
Musik: „Ricky Masorati“ von Udo Lindenberg. http://www.youtube.com/watch?v=6TPEzMABZHE
Oder wie wäre es mit einem Stück von Sebastian Vettels Lieblingsband, den Beatles? „Helter Skelter“ ist mein Favorit. http://www.youtube.com/watch?v=5fvJEpdq8a8
P.S.: Gelegentlich erreicht mich aus der Damenwelt die Frage, warum es keine Frau in der Formel 1 gäbe. Meine Antwort: Motorsport ist Leistungssport und momentan hat keine Frau die Qualität, um ein Formel 1-Cockpit zu besetzen. Das beste Ergebnis einer Frau war der sechste Platz beim Großen Preis von Spanien 1975. Fünf Zuschauer verloren an diesem Tag ihr Leben, ein Fahrer wurde schwer verletzt: der in Führung liegende Rolf Stommelen. Er starb 1983 in einem Porsche bei einem Rennen in Kalifornien, am Ende noch dreihundert Stundenkilometer schnell. Die letzte Frau, die versucht hat, in die Formel 1 zu kommen, war Maria de Villota 2012. Bei Testfahrten verletzte sie sich schwer, in mehreren Operationen konnte ihr Gesicht wieder hergestellt werden, aber sie verlor ein Auge. Damit war ihre Rennsportkarriere beendet und sie musste ihre große Leidenschaft aufgeben. 2013 wurde sie in einem Hotelzimmer in Sevilla tot aufgefunden.
P.P.S.: Heute beginnt in München der Prozess gegen Bernard Ecclestone, den Impresario der Formel 1. Hoffentlich kommt er mit Uli Hoeneß in eine Zelle.
P.P.P.S.: Ich hoffe, Ihnen sind die sublimen Werbebotschaften im Text nicht entgangen, denn damit verdiene ich mein Geld. Lust auf was Süßes bekommen? Wie wäre es mit einem Snickers? Karamell und Erdnüsse, umhüllt von leckerer Schokolade … Denken Sie über den Kauf eines Neuwagens nach? Die Firma Porsche ist der richtige Ansprechpartner. Darauf trinken wir einen Jack Daniel’s Kentucky Straight Bourbon! Es gibt nichts Besseres.

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