Mittwoch, 9. April 2014

Ein Volk steht auf

Endlich tut sich was im politikverdrossenen Deutschland. Ein Ruck geht durch die Jugend, die jahrelang wie in Trance auf ihre Smartphones geblickt hat. Ist der Akku alle? Ist die komplette Bundesregierung mit einem Flugzeug abgestürzt und in den Tiefen eines fernen Ozeans verschollen? Ist jemand endgültig die Sicherung durchgebrannt, als er zum hunderttausendsten Mal das Gesicht eines Parteifunktionärs auf dem Bildschirm gesehen hat, dessen Lächeln so klebrig wie der Toilettentürgriff bei McDonald’s ist? Weit gefehlt. Wir brauchen weder Katastrophen noch Amokläufer. Wir haben Susanne Wiest.
Ich sage nur: Demokratie-Teppich. Mehr muss man eigentlich auch nicht sagen. Eine gute Idee erklärt sich schließlich von selbst. Ich sehe sie schon vor mir, die Polit-Strategen und Marketing-Würstchen, wie sie sich kollektiv mit der flachen Hand auf die Stirn schlagen. Wieso sind wir denn noch nicht selbst darauf gekommen? Das ist ja phantastisch! Zum Glück sind die Bundestagswahlen vorbei – das hätte für Merkels dritte Amtszeit garantiert das Aus bedeutet. Dabei ist die Idee so einfach wie genial. Unter der Überschrift „Wir machen Demokratie“ entwirft Frau Wiest in wenigen Worten einen kühnen Plan. Da Petitionen kaum Wirkung erzielen (immerhin hatte ihre Petition für ein bedingungsloses Grundeinkommen knapp 53.000 Befürworter, gegen die Geißel der Menschheit Markus Lanz stimmten allerdings mehr als viermal so viele Menschen) und Volksabstimmungen vom Gesetzgeber nicht vorgesehen sind, müsse man zur Gestaltung der Demokratie andere Werkzeuge ergreifen: „Wolle und Stricknadeln“. Unter der Netzadresse http://www.demokratie-teppich.com/ heißt es weiter: „Ich stricke einen demokratischen Quadratmeter, ganz nach meinem persönlichen Geschmack, und lade Euch herzlich ein, ebenfalls ein demokratisches Teppichstück zu häkeln, stricken, weben, sticken, nähen, finden .... kurzum, zu gestalten.“
Am 23. September kommt es dann auf dem Tempelhofer Feld zu einem großen Happening, wenn der Weltöffentlichkeit der deutsche Demokratieteppich präsentiert wird. Vermutlich wird man nur aus einem Hubschrauber den richtigen Überblick haben, wenn aus allen Landesteilen quadratmeterweise die demokratischen Ideen der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger (einschließlich aller Transsexuellen, die sich durch diese Formulierung nicht angesprochen fühlen), der Migrantinnen und Migranten sowie unserer lieben Freundinnen und Freunde in aller Welt zusammengefügt werden (Hakenkreuze sowie Hammer&Sichel, frauenfeindliche, rassistische oder religiöse Inhalte können allerdings nicht geduldet werden – hierzu wird noch ein Komitee gegründet).
Zu guter Letzt komme ich zu meinem Beitrag, mit dem ich dieses großartige und innovative Projekt unterstützen möchte: Ich spende einen kaum gebrauchten Bettvorleger von Ikea, handbeklebt mit Kronkorken, die den Umriss des Hambacher Schlosses zeigen. Und dann erwarte ich, dass sich in diesem Land etwas ändert. Oder ich kaufe mir wieder eine Kiste Krombacher und rette den Regenwald.

9 Kommentare:

  1. Angst essen Seelen und halten Sklaven.

    Wer alles Materielle verlor und sonstige Widrigkeiten der Mitmenschen erlebte, dürfte auf dem besten Weg sein, seine Angst auch noch zu verlieren. Ich kann da mitreden. Mitreden konnten sicher alle Menschen, die durch Kriege nur ihr pures Leben retteten. Nie mehr Krieg, nie mehr Bevormundung. Wir leben ab sofort unser selbstbestimmtes Leben. Die Politik kann uns mal. Nie mehr ein Gewehr in die Hand nehmen. Jagt sie fort, all diese schleimigen Lautsprecher, die uns nur Verderben brachten.

    Diese Menschen hatten tatsächlich den Mut, zumindest die Chance, angstfrei die Zukunft anzugehen. Wie lange hat das angehalten? Solange, bis sie die ersten Steine der zerstörten Häuser wiederaufgesetzt hatten. Dann gab es wieder etwas zu verteidigen. Nicht, weil sie es gegen den Nachbarn verteidigen wollten, der in der gleichen Scheiße saß. Sondern weil dieselben Lautsprecher von Politiker und die Pfaffen aus ihren geschützten Bunkern wieder auftauchten und ihnen die alten Parolen von Wert und Fortschritt, Haben ist Sein, Krieg ist Frieden, ins Gehirn hämmerten. Mit ihren kontrollierten Medien und Werbung, die ohnehin durch Schule seit Jahrtausenden das Hirn des kleinen Mannes konditionierte, war es kein großes Problem, den kleinen Mann wieder auf Kurs zu bringen. Seine Angst ist die alleinige Triebkraft, sich zu prostituieren und damit das Weltendrama aufrecht zu erhalten. Eine besondere Kostprobe über die Rolle des kleinen Schafs stammt ausgerechnet von einem Adeligen vor vierhundert Jahren:

    Étienne de La Boëtie: Von der freiwilligen Knechtschaft des Menschen

    http://gutenberg.spiegel.de/buch/5225/1

    Es bleibt dem kleinen Mann nichts anderes übrig als sich selbst mit dem Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Da wird weder Schule noch ein Messias helfen. Ein schier unmögliches Unterfangen. Zu diesem Thema habe ich mir hier auch ein paar Gedanken gemacht:

    http://www.kritisches-netzwerk.de/forum/oben-oder-unten-die-wahre-existenzielle-perspektive

    Oder noch wüster:

    http://www.kritisches-netzwerk.de/forum/das-untier-konturen-einer-philosophie-der-menschenflucht-ulrich-horstmann

    Vielleicht tue ich den gleichgeschalteten Lautsprechern und dem Hosenanzug auch nur Unrecht. Sind sie die Auserwählten, den Pfusch der Götter zu korrigieren und wir kleinen A haben das nur nicht verstanden? Das merkelanisch schäubliche Zeitalter geht ohnehin zu Ende, mit oder ohne uns.

    Nach dem Ausflug in mein tieferes Selbst, hole ich erst mal ein Krombacher zur Rettung der Welt und ein Zigarillo raus. Guten Abend.

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    1. war für den Beitrag 'Der Feind heist Angst 'gedacht. Bitte hier löschen. Meine Maus spielt verrückt. Pardon.

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    1. Gratulation, liebe Leserin! Das war ja fast ein vollständiger Satz. Zwei Worte, kein Satzzeichen, dafür ein Tippfehler. Na gut, Subjekt und Prädikat fehlen, aber es ist immerhin ein Anfang. Ein rhetorischer Rülpser, dessen anklagender Ton mich jedoch tief berührt hat. Darum möchte ich Ihnen auch gerne antworten: Der von Ihnen kommentierte Text ist eine Satire und ich habe nicht vor, tatsächlich einen Kasten Krombacher zu kaufen. Ich hatte auch in der Vergangenheit noch nicht das zweifelhafte Vergnügen. Das hat zwei Gründe: Erstens mag ich Krombacher eben wegen der perfiden Aktion „Saufen für die Umwelt“ nicht und zweitens ist der nächste Supermarkt fünf Kilometer entfernt. Ich habe kein Auto, also kann ich auch keine Bierkästen transportieren. Dafür gehe ich bei schönem Wetter, auf einer Schalmei blasend, durch den Wald, genieße den Anblick der uralten Buchen und der blühenden Anemonen, um in einem der umliegenden Dörfer ein gepflegtes Fassbier zu trinken. Damit möchte ich diese Antwort beschließen, da Sie vermutlich ohnehin nicht mehr mitlesen, sondern bereits andernorts weiternörgeln.

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    2. Oh. Es war nicht meine Absicht Ihnen auf die Füße zu treten, oder zu nörgeln.
      Sie können natürlich nicht wissen, in welchem Ton ich meinen, zugegebenermaßen sehr dürftigen und darüber hinaus auch noch fehlerhaften, Kommentar verfasst habe. Ein Rülpser war es sowenig wie eine Anklage.
      Aber ja, ich hätte ihn mir sparen können, da Sie unmöglich verstehen konnten, was es damit auf sich hat. Betrachten Sie ihn bitte einfach als eine reflexhafte und unbotmäßige Äußerung aus dem Fundus meiner privaten Kalaueritis.
      Nachdem ich mich nun also derart ungeschickt bei Ihnen vorgestellt habe, möchte ich wenigstens noch folgendes nachtragen:
      ich lese Ihr Blog gerne und mit großer Begeisterung. Sie haben einen ungeheuer guten Erzählfluss und mitunter schreiben Sie so lakonisch, dass ich ihre Beiträge vor Begeisterung gleich zwei Mal lesen muss.
      Dass es sich bei vorliegendem Text um eine Satire handelt ist mir nicht entgangen, und ich habe beim Lesen, was nicht besonders oft geschieht, lachend vor dem Bildschirm gesessen.
      Dass er nun ausgerechnet mit Krombacher und trinken für den Regenwald endete, machte ihn für mich (aus besagten Privatgründen) noch komischer, und ich erlag, in dieser einen unaufmerksamen Sekunde, der Versuchung meinen Blödsinn dazu zu schreiben. Die Hoffnung das Netz würde irgend etwas vergessen, muss ich wohl endgültig aufgeben.
      Nichtsdestoweniger wünsche ich Ihnen einen schönen Tag im Wald und später bei einem gepflegten Fassbier.

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    3. Vielen Dank für Ihre Antwort. Ich freue mich, dass Sie mir so ausführlich geschrieben haben. Jetzt verstehe ich auch die Ironie Ihres Kommentars und möchte mich in aller Form bei Ihnen entschuldigen, dass ich Sie für einen Troll gehalten habe. Ich lese Ihr Blog nämlich ebenfalls sehr gerne und habe mich daher etwas geärgert, nur zwei Worte von Ihnen zu lesen, da Sie doch offensichtlich in der Lage sind, sich in strukturierter Form zu äußern. Nun haben Sie mich mit dem Hinweis auf vorhandene „Privatgründe“ für Ihren Anfall von „Kalaueritis“ doch neugierig gemacht. Gab es ein lustiges Erlebnis mit Krombacher Pils? Möchten Sie dieses Geheimnis mit mir teilen? Das würde mich freuen. Vielen Dank für Ihre guten Wünsche. Ich gehe jetzt tatsächlich in den Wald und kehre anschließend ein. Ich hoffe, in Kreuzberg scheint in diesem Augenblick auch die Sonne und der Hund kratzt ungeduldig an der Wohnungstür.

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  3. In Kreuzberg scheint die Sonne, und ich freue mich über Ihre Antwort.
    Der Hund muss noch kurz warten.
    Ich war schon ganz zerknirscht, dass ich bei meiner Vorstellung in Ihrem Blog gleich meine schmutzigen Schuhe auf Ihrem schönen Ikea-Teppich, den Sie zu stiften gedenken, abgetreten habe. Entschuldigen muss also ich mich, denn genau so beknackt bzw. stulle wie ich, kommentieren eben Trolle.

    Nachdem ich diese "Privatgründe" nun derartig aufgeblasen, und dabei sicherlich unglaubliche Erwartungen geschürt habe, geniere ich mich ein wenig sie in ihrer ganzen Banalität hier nieder zu schreiben.
    Nur soviel: ich halte Krombacher für eines der allerunsüffigsten, ödesten Biere überhaupt, dabei zu malzig und Kopfschmerzen verursacht es noch dazu.
    Eine Zeit lang lebte und studierte ich in Unterfranken. Dort wurde auf Parties meist Krombacher gereicht. Es wurde für mich der Inbegriff des bürgerlichen Miefes, sein Name seither das Synonym für Kleingeistigkeit, Frontallappenläsion, rechter Gesinnung etc.
    Krombacher ist an allem Schuld.
    Krombacher macht aus Schafen Wölfe und aus Gehirnen Seife.
    Da Sie nun ausgerechnet Krombacher in Zusammenhang mit dem Demokratieteppich erwähnten, und dazu die Werbestrategie des Saufens für den Regenwald anführten, was natürlich stark an das Saufen gegen Rechts erinnert, musste ich zum Einen ziemlich lachen, zum anderen wurde ich wieder daran erinnert, dass Krombacher eben an allem Schuld ist.
    Wahrscheinlich auch am Zustand der Frau Wiest.
    Fast schien es mir, als wüssten auch Sie um diese Tatsache und die Erwähnung des Bieres sei kein Zufall.

    Nein, das ist nicht lustig, ich weiß.
    Und je länger ich darüber schreibe, desto idiotischer kommt es mir vor, und ich frage mich, was mich da geritten hat.
    Mir wird doch nicht jemand Krombacher in den Kaffee...

    Einen schönen Tag weiterhin!

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    1. Franken! Wie schön. Da fahre ich Anfang Mai für ein paar Tage hin. Und da haben wir auch schon die Antwort auf die alte Menschheitsfrage, wo das Bier am besten schmeckt: in Franken. Die ganzen winzigen Dorfbrauereien, pars pro toto nenne ich Kathi-Bräu vom Heckenhof. Dort tingele ich mit einem Freund regelmäßig zu Fuß von Dorf zu Dorf, von Keller zu Keller. Wer braucht denn um Himmels Willen diesen ganzen Industrierotz wie Krombacher, Warsteiner usw.? Danke für den schönen Tag! Komme gerade aus dem Wald zurück, habe zwei Weizen intus, eine Idee für einen Text im Kopf, muss aber jetzt noch ein-zwei Stunden Gartenarbeit machen und dann ist ja noch das DFB-Pokal-Halbfinale mit pfälzischer Beteiligung. Man kommt als Schriftsteller zu nix, die Leute haben ja keine Vorstellung von dem Beruf, aber morgen früh schreibe ich weiter. Sonnige Grüße nach Kreuzberg.

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  4. Mir scheint ich habe wirklich keine Vorstellung von Ihrem Beruf.
    Tapfer bleiben!

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