Einmal
pro Woche finde ich ein Werbeblättchen mit Nachrichten aus der Region in meinem
Briefkasten. Es ist immer ein kleines Kreuzworträtsel enthalten, das ich wegen
seiner Einfachheit gerne löse. Inseleuropäer mit drei Buchstaben. Dieses
Niveau. Ich schaffe es also immer bis zum letzten Kästchen und finde das
Lösungswort.
Neulich
war aber die griechische Göttin der Zwietracht gefragt. Kannte ich nicht. Am
Ende wusste ich aber durch die Lösung anderer und schlichterer Worträtsel, dass
sie Eris heißt. Also habe ich mal nachgeschlagen, was diese Frau so alles
treibt. Bereits als bildungshungriger Gymnasiast habe ich mich intensiv mit der
antiken Mythologie befasst. Achilles, Odysseus und Herkules waren in den
siebziger Jahren so bekannt wie heutzutage Arnold Schwarzenegger, Bruce Willis
und Vin Diesel.
In der
guten alten Zeit, also noch die Götter für alles Unglück verantwortlich waren
und nicht die Politiker, gab es im Olymp eine Hochzeit. Natürlich wurde Eris
nicht eingeladen, weil sie ja doch nur wieder Streit angefangen hätte. Es
gelang ihr jedoch, einen goldenen Apfel in den Festsaal zu schmuggeln, auf dem
geschrieben stand, er gebühre der schönsten Frau.
Natürlich
gab es Streit. Der Apfel ging mit dem Begriff Zankapfel in unseren Wortschatz
ein, womit er sich länger gehalten hat, als sich ROFL halten wird. Es stritten
sich Hera, die Frau des Göttervaters Zeus, Athene, die Göttin der Weisheit, und
Aphrodite, die Göttin der Liebe. Man ging mit der Sache zum Chef, aber Zeus war
nicht blöd. Wenn er sich für eine Frau entscheidet – und vielleicht auch noch
gegen die eigene Gattin -, macht er sich zwei Frauen zu Feinden.
Also
entschied sich Zeus, einen anderen Mann zum Schiedsrichter zu ernennen. Seine
Wahl fiel auf Paris, zu diesem Zeitpunkt als Schafhirte prekär und ohne
Versicherungsschutz beschäftigt. Paris hatte es in seinem bisherigen Leben
nicht leicht gehabt. Sein Vater Priamos war von Beruf König und daher recht
vermögend. Von einem windigen Traumdeuter ließ er sich erklären, sein Sohn
würde einmal Troja, also sein Königreich, zugrunde richten. Paris wurde als
Säugling ausgesetzt und von Hirten großgezogen.
Jetzt
musste der arme Kerl also den Streit zwischen drei mächtigen Frauen schlichten.
Ich hätte an seiner Stelle ja allen drei Grazien Honig ums Maul geschmiert und
auf Unentschieden plädiert. Paris wurde der Apfel in die Hand gedrückt und
er sollte sich entscheiden. Hera bot ihm an, Herrscher der gesamten Welt zu werden.
Athene versprach ihm, der weiseste und klügste Mensch der Geschichte zu werden.
Aphrodite verlockte ihn mit dem Angebot, die schönste Frau der Welt zu
heiraten.
Wie
hätten Sie sich entschieden? Macht, Weisheit oder Liebe? Wir sagen in
Rheinhessen: Liebe vergeht, Acker besteht. Seien wir mal ehrlich, nach ein paar
Jahren ist doch in den meisten Beziehungen der Lack ab. Was nützt mir Weisheit?
Damit macht man sich doch bei seinen Mitmenschen nur unbeliebt. Ich bin als
Genie auf die Welt gekommen, ich kann ein Lied davon singen. Natürlich nimmt
man die Macht. Dann ist man automatisch von schönen Frauen umgeben und die
Schlaumeier kann man sich an den Königshof holen und sie ausfragen, wenn man
mag. Natürlich entscheidet man sich für die Macht. Außerdem ist Hera die Frau
des Göttervaters, bei dem man für den Rest seines Lebens einen Stein im Brett
hat. Die Macht! Alles andere ist Quatsch.
Und
was macht Paris? Er entscheidet sich für Aphrodite. Für die Liebe. Und damit
für Helena, die schönste Frau der Welt. Aber sie ist leider schon verheiratet.
Er tauscht also einen goldenen Apfel gegen eine verheiratete Frau. Ich könnte
vor Wut in den Schreibtisch beißen. Mit wem ist Helena verheiratet? Mit
Menelaos, dem König von Sparta. Jeder weiß, dass die Spartaner die Hells Angels
der Antike sind. Ständig in irgendwelche Streitereien verwickelt, immer Bock
auf Krieg, weil sie sonst nix können.
Kleiner
Exkurs zu Helena: Sie ist die Tochter des Zeus und der Leda. Zeus hat Leda in
Gestalt eines Schwans verführt. Ich meine, die Nummer mit dem Heiligen Geist
als Vater von Jesus, die man uns im Neuen Testament aufgetischt hat, ist an
Absurdität kaum zu übertreffen. Aber Sex mit einem Schwan? Ich kapier’s einfach
nicht. Was ist an einem Schwan so toll? Der lange dildoförmige Hals? Aber dann
wird man nicht schwanger. Ziemlich dünne Story, wenn Sie mich fragen.
Aber
zurück zu Paris. Er fährt nach Sparta und trifft sich mit Helena. Vertragsgemäß
verliebt sie sich in ihn und folgt ihm nach Troja, lässt aber sicherheitshalber
das Gerücht streuen, sie sei entführt worden, falls die Nummer in die Binsen
geht. Die Spartaner und ihre Verbündeten springen in ihre Schiffe und folgen dem
Paar nach Troja. Es kommt, wie es kommen musste. Der Traumdeuter behält recht
und Troja wird nach zehnjähriger Belagerung und etlichen Metzeleien dem
Erdboden gleichgemacht. Die Sache mit dem Holzpferd, Sie wissen schon.
Aber damit
ist die Pechsträhne von Paris noch nicht zu Ende. Im Zweikampf mit Menelaos
macht er keine gute Figur und muss von Aphrodite auf dem Schlachtfeld gerettet
werden. Eines schönen Tages wird er während einer der vielen Schlachten von
einem vergifteten Pfeil getroffen. Und wer ist der einzige Mensch auf der Welt,
der das Gegengift hat? Seine Ex-Frau, die er für Helena sitzen gelassen hat.
Ist das zu fassen? Wer denkt sich sowas aus? Also schleppt sich Paris in die
Berge zu Oinone, der Tochter eines Flussgottes, mit der er vor der Sache mit
dem Apfel zusammengelebt hat. Und wie entscheidet sich seine Ex? Verzeiht sie
ihm? Nein, sie lässt ihn qualvoll sterben, bereut es aber anschließend und
springt in den lodernden Scheiterhaufen, auf dem sein Leichnam verbrannt wird.
Was
macht Helena? Sie ist jetzt Witwe und ihr wütender Ex-Mann tobt seit Jahr und
Tag vor den Mauern Trojas wie ein tollwütiger Choleriker. Das glauben Sie
nicht! Sie heiratet den jüngeren Bruder von Paris und bleibt die
Schwiegertochter des Königs. Das Luxusleben ist wieder gesichert. Bitch! Nachdem
die Griechen den Krieg gegen Troja gewonnen haben und Helenas neuer Gatte
mittellos ist, kehrt sie – angeblich reumütig – zu Menelaos und nach Sparta
zurück, wo sie noch lange und vergnügt lebt. Gut, dass Paris das nicht mehr
erlebt hat. War es das wert? Liebe …
So
spielen die Götter mit den Menschen. Es ist ein frühes Beispiel für die
Chaostheorie. Ein Apfel wird in eine Hochzeitsgesellschaft geschmissen und am
Ende liegt eine berühmte Stadt in Trümmern, etliche Helden wie Hektor und
Achilles sterben und Odysseus muss sich auf seine spektakuläre Irrfahrt
begeben. Der arme Paris hat seine Vier-Schlampen-Tournee mit dem Leben bezahlt.
Die Macht, Alter. DIE MACHT !
Dead Can Dance - The Carnival Is Over (Official
Video) - YouTube
Macht brauchst du nur,
AntwortenLöschenwenn du etwas Böses vorhast.
Für alles andere
reicht Liebe
um es zu erledigen.
– Charlie Chaplin – 💗 *tja*
Du hattest wohl in "Gechichte" einen Fensterplatz.
AntwortenLöschenDie Spartaner konnten die Funksprüche der Trojaner entschlüsseln, weil ihnen polnische Kryptologen halfen. So wars wirklich!
Odysseus wäre das nicht passiert!
AntwortenLöschenHätte Paris Hera und damit die Macht gewählt, hätten ihm Athene und Aphrodite sicher einen Strich durch die Rechnung gemacht. Was nützt einem die Macht, wenn man unglücklich verliebt ist?
AntwortenLöschenDas Plädieren auf Unentschieden wäre natürlich die klügste Wahl gewesen ... vielleicht den Apfel dreifach teilen?