Sonntag, 3. Januar 2021

Vom Hölzchen aufs Stöckchen

 

Einmal pro Woche finde ich ein Werbeblättchen mit Nachrichten aus der Region in meinem Briefkasten. Es ist immer ein kleines Kreuzworträtsel enthalten, das ich wegen seiner Einfachheit gerne löse. Inseleuropäer mit drei Buchstaben. Dieses Niveau. Ich schaffe es also immer bis zum letzten Kästchen und finde das Lösungswort.

Neulich war aber die griechische Göttin der Zwietracht gefragt. Kannte ich nicht. Am Ende wusste ich aber durch die Lösung anderer und schlichterer Worträtsel, dass sie Eris heißt. Also habe ich mal nachgeschlagen, was diese Frau so alles treibt. Bereits als bildungshungriger Gymnasiast habe ich mich intensiv mit der antiken Mythologie befasst. Achilles, Odysseus und Herkules waren in den siebziger Jahren so bekannt wie heutzutage Arnold Schwarzenegger, Bruce Willis und Vin Diesel.  

In der guten alten Zeit, also noch die Götter für alles Unglück verantwortlich waren und nicht die Politiker, gab es im Olymp eine Hochzeit. Natürlich wurde Eris nicht eingeladen, weil sie ja doch nur wieder Streit angefangen hätte. Es gelang ihr jedoch, einen goldenen Apfel in den Festsaal zu schmuggeln, auf dem geschrieben stand, er gebühre der schönsten Frau.

Natürlich gab es Streit. Der Apfel ging mit dem Begriff Zankapfel in unseren Wortschatz ein, womit er sich länger gehalten hat, als sich ROFL halten wird. Es stritten sich Hera, die Frau des Göttervaters Zeus, Athene, die Göttin der Weisheit, und Aphrodite, die Göttin der Liebe. Man ging mit der Sache zum Chef, aber Zeus war nicht blöd. Wenn er sich für eine Frau entscheidet – und vielleicht auch noch gegen die eigene Gattin -, macht er sich zwei Frauen zu Feinden.

Also entschied sich Zeus, einen anderen Mann zum Schiedsrichter zu ernennen. Seine Wahl fiel auf Paris, zu diesem Zeitpunkt als Schafhirte prekär und ohne Versicherungsschutz beschäftigt. Paris hatte es in seinem bisherigen Leben nicht leicht gehabt. Sein Vater Priamos war von Beruf König und daher recht vermögend. Von einem windigen Traumdeuter ließ er sich erklären, sein Sohn würde einmal Troja, also sein Königreich, zugrunde richten. Paris wurde als Säugling ausgesetzt und von Hirten großgezogen.

Jetzt musste der arme Kerl also den Streit zwischen drei mächtigen Frauen schlichten. Ich hätte an seiner Stelle ja allen drei Grazien Honig ums Maul geschmiert und auf Unentschieden plädiert. Paris wurde der Apfel in die Hand gedrückt und er sollte sich entscheiden. Hera bot ihm an, Herrscher der gesamten Welt zu werden. Athene versprach ihm, der weiseste und klügste Mensch der Geschichte zu werden. Aphrodite verlockte ihn mit dem Angebot, die schönste Frau der Welt zu heiraten.

Wie hätten Sie sich entschieden? Macht, Weisheit oder Liebe? Wir sagen in Rheinhessen: Liebe vergeht, Acker besteht. Seien wir mal ehrlich, nach ein paar Jahren ist doch in den meisten Beziehungen der Lack ab. Was nützt mir Weisheit? Damit macht man sich doch bei seinen Mitmenschen nur unbeliebt. Ich bin als Genie auf die Welt gekommen, ich kann ein Lied davon singen. Natürlich nimmt man die Macht. Dann ist man automatisch von schönen Frauen umgeben und die Schlaumeier kann man sich an den Königshof holen und sie ausfragen, wenn man mag. Natürlich entscheidet man sich für die Macht. Außerdem ist Hera die Frau des Göttervaters, bei dem man für den Rest seines Lebens einen Stein im Brett hat. Die Macht! Alles andere ist Quatsch.

Und was macht Paris? Er entscheidet sich für Aphrodite. Für die Liebe. Und damit für Helena, die schönste Frau der Welt. Aber sie ist leider schon verheiratet. Er tauscht also einen goldenen Apfel gegen eine verheiratete Frau. Ich könnte vor Wut in den Schreibtisch beißen. Mit wem ist Helena verheiratet? Mit Menelaos, dem König von Sparta. Jeder weiß, dass die Spartaner die Hells Angels der Antike sind. Ständig in irgendwelche Streitereien verwickelt, immer Bock auf Krieg, weil sie sonst nix können.

Kleiner Exkurs zu Helena: Sie ist die Tochter des Zeus und der Leda. Zeus hat Leda in Gestalt eines Schwans verführt. Ich meine, die Nummer mit dem Heiligen Geist als Vater von Jesus, die man uns im Neuen Testament aufgetischt hat, ist an Absurdität kaum zu übertreffen. Aber Sex mit einem Schwan? Ich kapier’s einfach nicht. Was ist an einem Schwan so toll? Der lange dildoförmige Hals? Aber dann wird man nicht schwanger. Ziemlich dünne Story, wenn Sie mich fragen.

Aber zurück zu Paris. Er fährt nach Sparta und trifft sich mit Helena. Vertragsgemäß verliebt sie sich in ihn und folgt ihm nach Troja, lässt aber sicherheitshalber das Gerücht streuen, sie sei entführt worden, falls die Nummer in die Binsen geht. Die Spartaner und ihre Verbündeten springen in ihre Schiffe und folgen dem Paar nach Troja. Es kommt, wie es kommen musste. Der Traumdeuter behält recht und Troja wird nach zehnjähriger Belagerung und etlichen Metzeleien dem Erdboden gleichgemacht. Die Sache mit dem Holzpferd, Sie wissen schon.

Aber damit ist die Pechsträhne von Paris noch nicht zu Ende. Im Zweikampf mit Menelaos macht er keine gute Figur und muss von Aphrodite auf dem Schlachtfeld gerettet werden. Eines schönen Tages wird er während einer der vielen Schlachten von einem vergifteten Pfeil getroffen. Und wer ist der einzige Mensch auf der Welt, der das Gegengift hat? Seine Ex-Frau, die er für Helena sitzen gelassen hat. Ist das zu fassen? Wer denkt sich sowas aus? Also schleppt sich Paris in die Berge zu Oinone, der Tochter eines Flussgottes, mit der er vor der Sache mit dem Apfel zusammengelebt hat. Und wie entscheidet sich seine Ex? Verzeiht sie ihm? Nein, sie lässt ihn qualvoll sterben, bereut es aber anschließend und springt in den lodernden Scheiterhaufen, auf dem sein Leichnam verbrannt wird.

Was macht Helena? Sie ist jetzt Witwe und ihr wütender Ex-Mann tobt seit Jahr und Tag vor den Mauern Trojas wie ein tollwütiger Choleriker. Das glauben Sie nicht! Sie heiratet den jüngeren Bruder von Paris und bleibt die Schwiegertochter des Königs. Das Luxusleben ist wieder gesichert. Bitch! Nachdem die Griechen den Krieg gegen Troja gewonnen haben und Helenas neuer Gatte mittellos ist, kehrt sie – angeblich reumütig – zu Menelaos und nach Sparta zurück, wo sie noch lange und vergnügt lebt. Gut, dass Paris das nicht mehr erlebt hat. War es das wert? Liebe …

So spielen die Götter mit den Menschen. Es ist ein frühes Beispiel für die Chaostheorie. Ein Apfel wird in eine Hochzeitsgesellschaft geschmissen und am Ende liegt eine berühmte Stadt in Trümmern, etliche Helden wie Hektor und Achilles sterben und Odysseus muss sich auf seine spektakuläre Irrfahrt begeben. Der arme Paris hat seine Vier-Schlampen-Tournee mit dem Leben bezahlt. Die Macht, Alter. DIE MACHT !

Dead Can Dance - The Carnival Is Over (Official Video) - YouTube

 

4 Kommentare:

  1. Macht brauchst du nur,
    wenn du etwas Böses vorhast.
    Für alles andere
    reicht Liebe
    um es zu erledigen.

    – Charlie Chaplin – 💗 *tja*

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  2. Du hattest wohl in "Gechichte" einen Fensterplatz.

    Die Spartaner konnten die Funksprüche der Trojaner entschlüsseln, weil ihnen polnische Kryptologen halfen. So wars wirklich!

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  3. Odysseus wäre das nicht passiert!

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  4. Hätte Paris Hera und damit die Macht gewählt, hätten ihm Athene und Aphrodite sicher einen Strich durch die Rechnung gemacht. Was nützt einem die Macht, wenn man unglücklich verliebt ist?
    Das Plädieren auf Unentschieden wäre natürlich die klügste Wahl gewesen ... vielleicht den Apfel dreifach teilen?

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