Ich habe keine Ahnung, wie lange ich so gelebt habe, aber
es war schön. Es gab keine Uhr, keinen Kalender, kein Handy und kein Fernsehen
in meinem Leben. Ich machte einfach den ganzen Tag, worauf ich gerade Lust
hatte. Es gab auch keinen Ort, an dem ich länger blieb. Ich fuhr einfach durch
die Gegend, immer der Nase nach. Meistens auf Nebenstraßen, manchmal sogar auf Feldwegen.
Zu essen gab es überall genug. In der warmen Jahreshälfte Äpfel,
Birnen, Nüsse und Beeren. In der kalten Jahreszeit nahm ich mir aus den
Containern hinter den Supermärkten, was ich brauchte. Es ist unfassbar, wieviel
kostenloses Essen es in diesem Land gibt. Tütenweise Brötchen, Joghurts, Käse
und Schinken. Es tat mir leid, dass ich gar nicht so viel essen konnte und
massenweise leckere Sachen liegen lassen musste.
Ich schlief im Auto und, wenn es warm genug war, unter
freiem Himmel. Ich wusch mich an Bächen oder ging in einem See schwimmen. Eine
Tasche voll Klamotten genügte mir. Gelegentlich ging ich in einen Waschsalon.
Während sich meine Jeans und meine Shirts in der Maschine drehten, schaute ich
mir die Menschen an, die auf dem Bürgersteig vorüberkamen. Leere Gesichter, den
Blick nach unten gerichtet. Ein trauriger Anblick.
So fuhr ich durchs ganze Land. Wenn ich Geld für Benzin
brauchte, fragte ich in einem Restaurant, ob sie einen Tellerwäscher brauchen. Wenn
man ein paar Lokale abgeklappert hatte, fand man schon was. Acht Stunden für
achtzig Euro. Das reichte wieder für fünfhundert Kilometer. Der Job war ganz
einfach. Man kratzte die Essenreste vom Teller in den Schweineeimer. Dann
stellte man die Teller in die Spülmaschine und räumte sie später in den
Schrank. Oft war noch ein halbes Schnitzel oder ein halbes Steak auf dem Teller.
Das ließ ich mir natürlich nicht entgehen.
Ab und zu ging ich abends auch mal in eine Kneipe. Einmal
hatte ich eine Frau am Edersee in Hessen kennengelernt. Wir gingen zu ihr nach
Hause. Wir hatten wild gevögelt und am nächsten Morgen gleich nochmal. Ich blieb
dann einfach liegen, als sie zur Arbeit ging. Als sie am Abend wiederkam, sagte
sie nichts. Ich blieb zwei Wochen bei ihr. Es war schön, aber eines Tages
musste ich einfach weiter. Der Ruf der Straße, das alte Lied. Klingt blöd, ich
weiß. Aber wenn man los muss, hilft alles nichts.
Irgendwo in Niedersachsen, auf einer schmalen Landstraße,
sah ich irgendwann dieses Schild: „Wir brauchen Sie. Firma Niemeyer stellt
ein.“ Ich dachte mir nichts dabei. Dann wieder das gleiche Schild einen
Kilometer weiter. Und nochmal. Ich kam in eine Kleinstadt und plötzlich sah ich
das Werkstor mit der Inschrift „Niemeyer & Co KG“. Es war November und ich
dachte mir: Geh vier Wochen arbeiten und du hast genug Kohle, um den Winter auf
Sizilien zu verbringen. Ich hielt an und ging ins Personalbüro. Was soll ich
sagen? Ich bekam einen Job.
Seither packte ich jeden Tag Schuhe und Klamotten in
Kartons und machte einen Versandaufkleber auf die Vorderseite. Es machte keinen
Spaß, aber ich dachte an das Geld. Am Monatsende bekam ich mein erstes Gehalt
auf ein Konto, dass ich auf der Stadtsparkasse einrichten musste. Davon gingen
fünfhundert Euro an meinen Vermieter. Ich war jede Woche einkaufen gegangen, jeden
Samstagabend in die Kneipe und jeden Sonntagmittag in Restaurant. Alles vom
Vorschuss, den mir die Firma gegeben und jetzt vom Gehalt abgezogen hatte. Ich
war fast pleite! Außerdem hatte mir niemand was von den ganzen Sozialabgaben
gesagt. Krankenversicherung, Rentenversicherung und die ganze Scheiße. Wer
brauchte sowas? Also blieb ich noch einen zweiten Monat.
Diesmal ging ich sparsamer mit meinem Geld um. Aber das
Leben war so unfassbar öde, dass ich es nur mit Alkohol ertrug. In einem
Augenblick der Schwäche überlegte ich sogar, mir einen Fernseher zu kaufen.
Aber das wäre ja wieder ins Geld gegangen. Ich ernährte mich von billigem
Aldi-Fraß und wurde immer dicker. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich
Rückenschmerzen. Jetzt wurde mir klar, warum die Leute eine Krankenversicherung
haben. So gingen die Monate ins Land. Heute ist der 25. Juli und ich bin immer
noch Packer bei der Firma Niemeyer.
Ich warne alle Menschen, die diesen Text lesen. Die
Sesshaftwerdung des Menschen ist der größte Fehler der Weltgeschichte.
„Nomaden reisen niemals ohne Grund“
AntwortenLöschenPeter Rosei
... und unsere Seele ist Teil des Universums und unmittelbar mit dem Kosmos verbunden, diese Seelenverbindung nennt man „Weltenseele“
Paulo Coelhos Buch „Der Alchimist“ birgt eine Weisheit, die jeder Mensch ins sich trägt... ♥