Samstag, 18. Oktober 2014
Zyklop-Monolog (2004)
Ich bin aus. Ich bin allein. Es könnte mal wieder Staub gewischt werden, ein ständiger Hustenreiz quält mich. Dieses Zimmer ödet mich an. Ich bin in diesem Raum geboren und habe ihn nie verlassen. Jetzt kommt der Sohn des Hauses herein. Aber er lässt mich kalt. Er holt sich seinen Gameboy und verschwindet wieder. Mit dem Gameboy rede ich schon seit Jahren nicht mehr. Seine piepsige Stimme tötet mir den letzten Nerv und er hat ohnehin nichts zu sagen. Was weiß denn schon ein Gameboy! Ich dagegen kann Geschichten erzählen, ich bringe die Menschen zum Lachen und zum Weinen. Manchmal kommen sie herein gestürmt und wollen unbedingt etwas von mir wissen. Dann sitzen sie wieder stundenlang vor mir, starren mich gebannt an und hören aufmerksam zu. An anderen Tagen kann ich mir den Mund fusselig reden, es scheint sie nicht zu interessieren. Ich habe schon viele Geschichten erzählt, seit man mich aus dem Karton gehoben und angeschlossen hat. Wieso bin ich als Fernseher auf die Welt gekommen? Warum nicht als Vogel? Ist es gut, ein Fernseher zu sein? Oder ist es eine Strafe? Ich bin sicher besser als ein Radiowecker, aber ich bin weniger als ein Hund. Warum bin ich hier? Sicher nicht nur, um Sendungen zu empfangen und auszustrahlen. Es muss mehr geben. Darüber oder dahinter verbirgt sich etwas, ein höherer Zweck, der Sinn des Ganzen. Warum bin ich ein Fernseher? Woher komme ich, wohin gehe ich? Die Antworten „Fabrik“ und „Müllkippe“ führen nicht weiter. Ich muss nachdenken.
Nina Hagen – TV-Glotzer. http://www.youtube.com/watch?v=LW6i3YQmONM
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