Dienstag, 28. Oktober 2014

2001

Auszüge aus dem Notizbuch:
12. Januar, Berlin. Was ist zu tun? Das Wesen des Trinkens erkunden?
13. Januar. Mein Hirn zersetzt sich, ich verliere mein Gedächtnis, alles Rinderwahnsinn. Ein Glück, dass es in dieser Stadt nicht weiter auffällt.
20. Januar. Erwachsen wird man nur in den Augen anderer.
31. März. Deutschland: Ein Staat, der durch ein Übermaß an fettreichen Speisen, billigem Alkohol und Fernsehprogrammen befriedet wurde.
28. Juni. Tu das Unerwartete zuerst.
2. Juli. Es kommt ein Mann. Und er wird gehen, ohne gesprochen zu haben.
12. Juli. Ein Koalabär frisst sechs Stunden am Tag, achtzehn Stunden schläft er. Warum eigentlich die ganze Anstrengung der menschlichen Zivilisation?
29. August. Jeder von uns sucht seinen beschissenen kleinen Gral. So much for pathos!
11. September. Nachdem ich über Internet von den Terroranschlägen in den USA erfahren habe, stürze ich sofort aus dem Büro nach Hause. 16 Uhr, CNN: „America under attack“. Bilder, die ich nur aus Filmen kenne, auf allen Kanälen. Heute ist der erste Tag im 21. Jahrhundert, dessen Datum in die Geschichtsbücher eingehen wird. Für was wird dieser 11. September stehen? Sicher für eine tragische Katastrophe wie der Untergang der Titanic, aber auch für eine neue Art des ubiquitären Kriegs. Das Welthandelszentrum in New York und das Pentagon in Washington sind Symbole der Weltmacht USA und der Globalisierung, ihre Zerstörung ist eine umfassende Kriegserklärung.
14. September. Die CNN-Überschrift zur permanenten Berichterstattung zu den Anschlägen hat gewechselt. Nun heißt es: „America’s new war“. In Berlin hat es einige Bombenalarme gegeben. Mein Büro im Wissenschaftszentrum Berlin liegt in der Nähe des Potsdamer Platzes, nicht weit vom Regierungsviertel entfernt. Dieser Ort ist ein „soft target“, wie ich gelernt habe. Und so bleibe ich zu Hause, hypnotisiert durch die immer gleichen Bilder der Zerstörung.
16. September. Morgen öffnet die New Yorker Börse wieder. Auch wenn das Zentrum der globalen Finanzwirtschaft Fachleute und Gebäude verloren hat, geht es weiter, die „defekte Stelle“ des Systems wird überbrückt. Die Wirtschaft ist heute so unsichtbar, so wenig an Orte gebunden und in Netzwerken aktiv – wie der Terrorismus. So ist die ganze Gesellschaft zugleich verwundbar und unverwundbar. In den nächsten Tagen wird vielleicht Afghanistan von den Amerikanern angegriffen, da dort die verantwortliche Terrororganisation vermutet wird.
26. Oktober. Ich bin jetzt 35 Jahre alt und heute hat der Arzt nach einer Blutuntersuchung festgestellt, dass ich Gicht habe. Die Gicht! Konsequenz: Bierkonsum drastisch einschränken, mehr Bewegung und Gewicht reduzieren. Das kann ja heiter werden …
Outkast – Hey Ya. https://www.youtube.com/watch?v=16N-BhHfdc8

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