Freitag, 17. Oktober 2014
Ein alter Freund
35 Jahre haben wir uns nicht mehr gesehen, gestern war es so weit: Ich treffe einen meiner besten Freunde aus der Grundschulzeit wieder. Damals gehörten wir in Ingelheim-West zur selben Gang, mit zwölf Jahren zog er dann nach Mainz und wir haben uns aus den Augen verloren. Bei „Dr. Flotte“ in Mainz sitzen wir in der Oktobersonne beim Bier und erzählen uns, was seit 1979 alles passiert ist. Er ist Rock-Musiker, ich bin Schriftsteller – und wir sind beide nicht verheiratet oder Hausbesitzer. Cooool. Er hat nach der Schule eine Elektrikerlehre gemacht und in Wien Musik studiert. 1991, im selben Jahr bin ich nach Berlin gezogen, ging er nach Los Angeles. Er zog in eine WG und arbeitete in einer Firma, die Verstärker für Bands wie Pink Floyd oder AC/DC hergestellt hat. Er hat eine Menge berühmter Rockmusiker kennen gelernt und hätte um ein Haar selbst Karriere gemacht. Seine Band hatte schon einen Plattenvertrag, aber der Sänger hat dann die Nerven verloren und alles hingeschmissen. Damals wären sie als Vorgruppe von den Guano Apes auf große Tournee gegangen …
Er arbeitet seit einigen Jahren als Gitarren-Techniker für große Bands und hat gerade eine viermonatige Tournee durch Europa und Nordamerika hinter sich. Nächstes Jahr geht es nach Japan und Australien. Was für ein Job – auch wenn die Arroganz und der Narzissmus der Bühnen-Divas ihn manchmal den letzten Nerv kosten. Drogen und Alkohol sind im Rock’n Roll-Business natürlich ein großes Thema, aber als echter Rheinhesse hat er sich von harten Drogen fern gehalten und den Durst immer souverän im Griff gehabt. Gerade Crack hätte Musiker, die er kannte, innerhalb kurzer Zeit vom Jaguar-fahrenden Familienvater in ein zahnloses Wrack verwandelt, das wenig später in der Holzkiste lag. Er selbst hat stilgerecht eine Spontanhochzeit in Las Vegas absolviert und lebte neun Jahre lang mit einer ehemaligen „Miss California“ zusammen.
Natürlich gehen wir auch die ganzen alten Namen durch. Unser bester Freund in der Grundschule, wir waren auch alle zusammen in der E-Jugend-Handballmannschaft des HSC Ingelheim, war ein Jugoslawe, dessen Eltern zwei gutgehende Restaurants in der Stadt hatten. Er ist ebenfalls nach Kalifornien ausgewandert und lebt jetzt als Tennislehrer in San Diego. Ein anderer Freund saß wegen Drogenhandels im Knast. Wir stellten fest, dass wir beide zu unterschiedlichen Zeiten was mit der gleichen Frau hatten (auch immer lustig!). Wir haben beide eine Menge erlebt und leben immer noch. Nächste Woche wollen wir zusammen unseren alten Schulweg gehen, die Spielplätze, unsere Mietskasernen und überhaupt das Viertel besuchen, in dem wir aufgewachsen sind. A sentimental journey.
Und hier sieht und hört man den Meister an der Gitarre. http://www.youtube.com/watch?v=lm9pXJ2or-U
Hier sieht man ihn in der zweiten Reihe von unten ganz links lachen, ich drehe mich in der ersten Reihe ganz rechts in diesem Augenblick um, links neben mir ist der Drogenhändler zu sehen und "Bané" (eigentlich Branislaw) steht in der dritten Reihe von unten ganz links.
P.S.: Nachts träume ich, als Mitglied einer Filmcrew in Massachusetts zu sein. Wir sind auf einer Wiese im Wald, von der man einen schönen Blick auf einen Fluss hat, von dem uns ein steiniger Abhang trennt. Es geht um einen Animationsfilm und ich soll eine der Hauptfiguren sprechen. Wir sitzen an langen Tischen und es werden große Steaks serviert. Die Beilagen – Pommes, Potato Wedges und Knödel in Würstchenform (!) – liegen schon parat. Über den Tellern sind Zapfhähne mit Ketchup angebracht, wir trinken Bier zum Essen. Wir reden über den Film. Im Aufnahmestudio soll man die ganze Zeit rauchen und Whisky trinken, erzählt mir mein Sitznachbar, damit unsere Stimmen schön dunkel und rau klingen. Nach dem Essen stehen wir auf und gehen zu einem großen Metallkasten hinüber. Es ist ein Hot-Dog-Automat. In viereckigen Metallboxen liegen ausgehöhlte Brötchen bereit und per Knopfdruck werden sie je nach Geschmack mit Ketchup, Mayo, Senf oder Sahne (!) befüllt. Man kann verschiedene Würstchen auswählen, ein Mitglied der Crew empfiehlt mir die Würstchen mit Vanillegeschmack, aber ich nehme ein normales aus Rindfleisch. Ich frage eine Kellnerin, die vorbeikommt, wo die Donuts sind. Nach dem Essen gibt man mir ein Glas Wasser und Tabletten, die gut für meinen Hals und meine Stimme sein sollen. Dann wache ich auf. Vermutlich habe ich im Schlaf zugenommen.
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