Ich weiß gar nicht, wer diese großartige Idee hatte. Jemand
aus dem Gemeinderat? Vielleicht auch der Bürgermeister selbst, ich weiß es
nicht. Jedenfalls war der Ausgangspunkt, also die Grundidee, dass wir alle
gemeinsam etwas machen. Das ganze Dorf. Seit wir kein Gasthaus, keinen Bäcker
und keinen Tante-Emma-Laden mehr haben, treffen wir uns kaum noch. Mit Corona
wurde es noch schlimmer, weil auch die geselligen Abende wegfielen. Jeder saß
allein zuhause, oder mit Familie, was praktisch das gleiche ist. Aber seit wir
das Projekt haben, treffen wir uns wieder. Man kann sagen: Das Projekt stärkt
das Gemeinschaftsgefühl.
Jeder arbeitet einen Tag in der Woche am Großen Bau. Jeder,
wie es ihm passt. Die Berufstätigen am Samstag, die Hausfrauen und Rentner an
einem beliebigen Wochentag. Um neun Uhr morgens trifft man sich auf der
Baustelle. Dann geht es los. Die Männer ziehen schwere Steinblöcke heran, die
Frauen tragen Steinbrocken und selbst die Kinder bringen Kieselsteine und
tragen auf ihre Weise zum Bau bei. Es soll eine Pyramide werden. Anfangs hat
noch mancher den Kopf geschüttelt, aber mal im Ernst: Welches Dorf hat schon
eine eigene Pyramide? Die Ägypter haben Pyramiden, aber kein Dorf in
Deutschland oder irgendwo anders. Wir haben uns für die Wiese zwischen dem
Sportplatz und dem Friedhof entschieden. Da sieht sie gleich jeder, der ins
Dorf fährt. Fünfzig Meter soll sie hoch werden.
Wenn sie eines Tages fertig ist, soll der Bürgermeister die
Pyramide als Grabmal bekommen. Natürlich erst, wenn er tot ist. Aber bis die
Pyramide fertig ist, werden noch viele Jahre vergehen. Ich treffe meine
Nachbarn am Großen Bau, manchmal auch alte Schulkameraden, die ich seit Jahren
nicht mehr gesehen habe. Es ist ein großartiges Projekt. Alle sind zufrieden.
Steine gibt es in unserer Gegend genug. Am Abend grillen wir Bratwürste. Dazu
gibt es Kartoffelsalat. Es könnte nicht schöner sein.
“Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben ein Fortschritt, Zusammenarbeiten ein Erfolg.”
AntwortenLöschenHenry Ford... 👍💪🤗
Woran das Projekt letztlich scheiterte:
AntwortenLöschenAlle feierten abendlich (wie bei Asterix) miteinander, nur die Würstchen konnten nicht mehr geliefert werden, da der Container wegen Corona im Hafen vergammelte. Die alte Mayonnaise stand schon etwas länger in der Sonne, bevor sie die Kartoffeln sah.
Als alle nach Hause gingen, stellte sich bei jedem Einzelnen ein Rumpeln im Magen ein. Das Glyphosat der vegetarischen Ersatzwürstchen (die zwar kein guter Ersatz, aber immerhin doch noch schmackhaft waren), paarte sich unvorteilhaft mit dem Kartoffelsalat und der Magensäure.
Noch in derselben Nacht brachen sich die Darminhalte auf bewährte Weise bahn. Es wurde gekotzt, bis die Konsistenz aussah, wie Weihwasser. Die Darmzoten traten beim Stuhlgang zum Scharlach aus und man kam gar nicht mehr mit der Kloreinigung hinterher.
Wer nicht an den Salmonellen verstarb (der einzige Arzt vor Ort litt auch darunter), machte jeden anderen für sein Leiden verantwortlich. Als die Symptome langsam abklangen, begann darauf ein fürchterliches Hauen & Stechen. Man diffamierte, mobbte so gut man konnte und vergiftete die Haustiere des Nachbarn.
Wer konnte, zog aus dem Ort fort, wer nicht, baute sein Anwesen zur Festung aus. Natodraht wurde die beliebteste Pflanze des Vorgartens. Zäune wurden durch meterhohe Mauern mit Schießscharten ersetzt.
So ging das Dorf als Gazastreifen 4.0 in die Geschichte ein.
Es war einmal ein Dorf, dass nur einen Platz bei "Unser Dorf soll schöner werden!" belegen wollte.
Noch heute sieht man über dem Natodraht die Ruinen der Pyramide als Warnzeichen aufragen.
Und die ganze Scheiße hat anschließend das Ahrtal weggeschwemmt.
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