Freitag, 13. August 2021

Es gibt nur noch gute Nachrichten

 

Der junge Mann klopfte an die Bürotür.

„Commander Jones. Kann ich Sie kurz sprechen?“

„Setzen Sie sich“, sagte der Commander, ohne von seinem Monitor aufzublicken.

„Mein Name ist Ellington. Abteilung Systemanalyse. Ich habe eine ungewöhnliche Meldung erhalten.“

Der Commander sah ihn kurz an. „Sie sind neu hier, Ellington. Was ist denn passiert?“

Ellington rutschte nervös auf seinem Stuhl herum. „Eine Flotte Raumschiffe aus dem Hyperraum hat sich in unserem Orbit materialisiert. Die Raumkreuzer von Amazon und Microsoft haben schon auf sie gewartet und sie vollständig zerstört. Ein gewisser Weltpräsident namens James Ferguson hat Entwarnung gegeben.“

Der Commander lehnte sich zurück und dachte nach. „Das ist ungewöhnlich“, sagte er schließlich. „Diese Meldung ist offensichtlich aus der fernen Zukunft. Sind Sie mit den Grundzügen unserer Nachrichtentechnik vertraut, Mister Ellington?“

„Ich habe eine kurze Einführung erhalten“, antwortete der junge Mann.

„Der Grundgedanke des Zebulon-Projekts ist ganz einfach: Die Menschen sind frustriert, weil sie jeden Tag schlechte Nachrichten hören. Bisher gab es nur unzureichende Lösungen dieses Problems. Entweder hat man den Menschen die schlechten Nachrichten vorenthalten oder man hat sie belogen. Wir sind einen Schritt weiter. Wir produzieren gute Nachrichten. Und damit meine ich nicht Werbung, Marketing oder Propaganda. Wir sorgen dafür, dass es gute Nachrichten gibt. In der Realität. Deswegen können Sie heute im Internet keine schlechten Nachrichten mehr lesen.“

„Wie hat der Dienst das geschafft?“

Der Commander lächelte.

„Um auf dem neuesten Stand zu sein, haben wir eine Software entwickelt, die uns Neuigkeiten in Echtzeit übermitteln kann. Wenn irgendwo auf dieser Welt eine Katastrophe passiert, ein Unglück, irgendetwas Wichtiges, filmt es jemand mit seinem Handy oder schreibt darüber in den sozialen Medien. So wurden wir schneller als die kommerziellen Nachrichtenagenturen. Diese Software haben wir weiterentwickelt. Wir wurden immer schneller. Irgendwann hatten wir die Nachrichten aus der Zukunft. Anfangs war der Vorsprung nur wenige Minuten, inzwischen sind daraus Tage und Wochen geworden.“

„Deswegen gibt es nur noch gute Nachrichten“, sagte Ellington.

„Genau. Wir wissen von den Katastrophen, bevor sie passieren. Also können wir sie verhindern. Ein Flugzeug wird abstürzen? Wir sorgen dafür, dass es nicht startet. Eine Flut kommt? Wir evakuieren das Tal. Ein Terrorist plant einen Anschlag? Wir nehmen ihn vorher fest. Keine schlechten Nachrichten, zufriedene Bürger. Das ist die Aufgabe unseres Nachrichtendienstes.“

„Aber was ist mit der Meldung, die heute reinkam?“

„Offensichtlich ist die Zebulon-Software auf ein neues Level gekommen. Sie entwickelt sich selbständig weiter“, antwortete Jones. „Wir sehen jetzt Jahre in die Zukunft. Wie heißt der Präsident in ihrer Meldung? James Ferguson? Also werden wir ihn fördern und beschützen. Er muss in der Zukunft Präsident sein, damit wir den Angriff der Aliens abwehren können. Aber diesen Job übernehmen andere Mitarbeiter.“

„Warum können wir dann nicht Probleme wie den Klimawandel lösen?“

„Das ist zu groß. Milliarden Menschen müssten ihr Verhalten ändern. Das kann unser Nachrichtendienst nicht leisten. Noch Fragen?“

„Nein, Commander“, antwortete der junge Mann.

„Wegtreten.“ 

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