Kant
unterscheidet in seiner Kritik der Urteilskraft (Zweites Buch: Analytik
des Erhabenen) zwei Formen der selbstgewählten Einsamkeit.
Zum
einen kann der Grund, sich zeitweise zurückzuziehen, darin liegen, dass man
allein sein möchte, sich für den Augenblick selbst genügt oder in Ruhe über
etwas nachdenken muss. Das heißt nicht, dass man ungesellig ist, sondern dass
man in der Lage ist, ohne Gesellschaft einer Beschäftigung nachzugehen, ohne
gelangweilt zu sein. Man liest, hört Musik oder geht spazieren. Ich denke auch
an das in sein Spiel versunkene Kind. In diesen Bereich gehören ebenso
Tagträume vom Leben in einsamen Landhäusern oder auf unbewohnten Inseln.
Die
zweite Form ist die Misanthropie, der Menschenhass. Man ist vom Verhalten
anderer Menschen frustriert, hat vielleicht schlechte Erfahrungen gemacht, und
zieht sich von der Welt zurück. Manchmal ist auch einfach enttäuschter
Idealismus der Grund, da aus der Perspektive des Misanthropen die Menschen
hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben, um sich stattdessen oberflächlichem
Konsum und banaler Zerstreuung hinzugeben. Zu diesem Hass, zu dieser Verachtung
der gesamten Menschheit gehört natürlich ein gewisser Grad der
Verallgemeinerung. Wie viele Menschen können wir in unserem Leben näher
kennenlernen? Gibt uns die Erfahrung das Recht, von dieser kleinen Gruppe auf
Milliarden Individuen zu schließen?
Der
Misanthrop unterliegt auch einer seltsamen Schizophrenie. Wenn alle Menschen
schlecht sind, ist er dann nicht auch schlecht? Oder ist er ein einsamer Gott
unter lauter Teufeln, das einziger Opfer in einer Welt voller Täter? Warum ist
ausgerechnet er selbst besser als alle anderen? Der Menschenhasser neigt, was
Teilgruppen anbelangt, ebenfalls zur Verallgemeinerung. „Die Frauen“ oder „die
Ausländer“ sind Gegenstand seiner Ablehnung. Alle Mitglieder dieser Gruppen
sind für ihn gleich. Da er sich von der Gesellschaft abgeschottet hat, fehlen
ihm auch die Möglichkeiten, neue und vielleicht andere Erfahrungen zu machen.
Warum
erzähle ich das? Weil ich glaube, viele aggressive Dauerkommentatoren, die den
ganzen Tag einsam vor dem Computer sitzen und in den sozialen Medien unterwegs
sind, gehören zu dieser zweiten Gruppe. Ich selbst zähle mich zur ersten
Gruppe. Ich bin gerne allein, aber ich bin auch gerne für einen begrenzten
Zeitraum in Gesellschaft. Zum Glück trifft man die Menschenhasser im echten
Leben nicht. Sie haben keine Freunde, sie werden nicht eingeladen. Gelegentlich
begegnet man ihnen an der Supermarktkasse oder im Straßenverkehr. Sie haben
sich ihre eigene Hölle geschaffen.
R.I.P. Scott Walker: The
Walker Brothers - The Sun Ain't Gonna Shine Anymore - YouTube
Die Erkenntnis, alleiniger Checker der Wahrheit zu sein, ist ja schon mal Grundvoraussetzung für den Zugang zu VT's.
AntwortenLöschenAndererseits scheint hier das Internet heilende Wirkung zu haben. Vermutlich würden all diese Quer- irgendwas im Laufe der Zeit zu Misanthropen, psychisch Kranken oder Terroristen.
Als Einzige(r) die Wahrheit zu wissen und niemand im persönlichen Umfeld versteht Eine(n), das kann nur in den Irrsinn führen.
Aber dank Fratzebuch sieht man ja, wir sind Millionen, nur leider weit verstreut. Selbsthilfe par Excellence.
Zu dem Thema gibt es ein passendes Zitat aus einem Asterix-Comic:
"Buhuuhuu, sie sind alle so dumm, und ich bin ihr Chef".
Erinnert mich an den misanthropischen Aphorismus "Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere!"
AntwortenLöschenQuelle: https://tinyurl.com/mb4dncn9
Events im August 2021
AntwortenLöschen28 Sa
Maus-flitz-Tag
... 🐁 💻 😜 *Zweck - FREUNDSCHAFT... hehe*
Gute Analyse!
AntwortenLöschenyep! als betroffener solltest du das am besten wissen, ne?
LöschenFlatter hat erkannt, dass auch ich verallgemeinert habe. Dieser gerissene Hund.
AntwortenLöschenDann hat Kant aber auch verallgemeinert. Und Marx findet alle Kapitalisten doof, obwohl er nur wenige persönlich kennengelernt hat.
Ich werde dich im Auge behalten, Laschet-Untertan!
Der Marxismus ist doch der Gipfel der Verallgemeinerung. Die ganze Menschheit wird auf zwei Schulbaden ("Klassen") verteilt. Dazu eine primitive Gut/Böse-Dichotomie, die man von Religionen kennt. Und dazu brauchen Marx und Engels gefühlte 50.000 Seiten, die kein Schwein lesen will.
Löschengarnich! die ultimative verallgemeinerung ist doch "die menschheit" :p
LöschenFlatter würde nie verallgemeinern.
LöschenWer seid ihr und was wollt ihr von mir? Wieso habt ihr das getan?
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