Montag, 22. Juni 2015

Literaturbetrieb – die frühen Jahre

„Es ist merkwürdig, mit welchem Müll man sein Gedächtnis belastet.“ (Georg Schramm)
Als Bonetti noch ein junger und unbekannter Schriftsteller war, ist er mit seinen Erzählungen von Dorf zu Dorf gezogen. Da er sich kein Auto leisten konnte, war er mit dem Zug unterwegs. Vom Bahnhof ging er dann immer in den Gasthof des Ortes und sprach mit dem Wirt. Gegen eine warme Mahlzeit und ein paar Gläser Bier hat er dann am Abend vor den Dorfbewohnern aus seinem Buch vorgelesen.
Es hieß „Gottes Werk und Bonettis Beitrag“ und war handgeschrieben. Es war ein dickes schwarzes Buch und in ihm standen alle seine Geschichten. Einen Verlag hatte Bonetti damals noch nicht, seine handschriftlichen Aufzeichnungen waren alles, was er besaß. Wenn dem Publikum die Geschichten gefielen, war es still oder es lachte an den lustigen Stellen. Wenn sich das Publikum langweilte, unterhielten sich die Leute und Bonetti war kaum zu verstehen. Wenn die Geschichte dem Publikum nicht gefiel, warfen sie mit Kronkorken, Zigarrenstummeln, Bierdeckeln und Pfirsichkernen nach ihm. Und wenn es den Leuten überhaupt nicht gefiel, brüllten sie vor Zorn und warfen mit Stühlen und Tischen. Dann musste Bonetti durch die Küche der Gastwirtschaft und die Hintertür hinaus flüchten und zum Bahnhof rennen, so schnell er konnte. Schriftsteller standen damals auf einer Stufe mit Scherenschleifern, Hausierern, Rosenverkäufern und anderem fahrenden Volk.
Auf diese Weise bekam Andy Bonetti heraus, welche Geschichten den Lesern gefielen und welche nicht. Das ist das Geheimnis seines heutigen Erfolgs und seines Ruhms bis weit über die Grenzen Bad Nauheims hinaus. Manchmal bekam er auch fünf oder zehn Mark Gage. Das war damals viel Geld, denn ein Glas Bier kostete nur zehn Pfennig und eine Bratwurst mit Pellkartoffeln fünfzig Pfennig. Von dem Geld kaufte sich Bonetti eine Fahrkarte und fuhr mit dem Zug ins nächste Dorf. Er schlief auf Parkbänken oder unter Bäumen, wo er sich neue Geschichten ausdachte oder die alten Geschichten verbesserte. „Das Leben als Schriftsteller war so hart, dass die Tauben im Park anfingen, mich zu füttern“, schrieb Andy Bonetti in seinen Memoiren. Die jungen Schriftsteller heutzutage, verwöhnt von Stipendien oder reichen Eltern, wissen ja gar nicht mehr, wie es früher im Literaturbetrieb zuging.
John Kincade – Dreams Are Ten A Penny. http://www.youtube.com/watch?v=1Od8wHQZc3M

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen