Mittwoch, 25. Februar 2015

2012

Auszüge aus dem Notizbuch:
3. Januar, Berlin. Wer war es, der dem Sternenstaub/ Den Fluch des Lebens eingehaucht?
Seit Anfang des Jahres arbeite ich als freischaffender Gemüsepädagoge im Veganischen Zentrum für Ausdruckstanz in Kreuzberg.
7. Januar. Betrunkene finden immer nach Hause, weil sie wie Tauben dem Magnetfeld der Erde folgen können. Aber dann kriegen sie den Schlüssel nicht mehr in die Haustür.
23. Januar. Ich sehe das unruhige Flackern der Logik in deinen Augen. Verlass dich lieber auf deinen Bauch.
29. Januar. Sensibel darfst du ruhig sein, du musst es nur aushalten können.
Kinder: die vertagte Hoffnung.
14. Februar. Dieser grenzenlose Ehrgeiz und seine sehr begrenzten Ziele: ein anderes Auto, ein größerer Fernseher, das fünfzigste Paar Schuhe.
7. März. Mission Statement: Was will ich? Nichtstun und damit Vorbild für andere Menschen sein.
16. April. Lichtgeschwindigkeit, Nichtgeschwindigkeit – oft ist es nur ein Buchstabe …
Dem Alten gegenüber empfindet der Berliner eine gewisse bäuerliche Zufriedenheit. Wirklich stolz ist er nur auf das Neue.
30. Mai. Wohin haben uns die vernünftigen Menschen gebracht? Aha! Und jetzt sind eben die Verrückten an der Reihe.
1. Juni. Hausstaub besteht zum großen Teil aus abgestorbenem Mensch. Gemeinsam mit unseren ausgefallenen Haaren bildet er, wenn man ihm genug Zeit lässt, Wollmäuse. Lässt man dem Staub noch mehr Zeit, bilden sich Wollkatzen und schließlich die berüchtigten Wollnashörner, was den Einsatz ausgebildeter Kammerjäger zur Folge hat.
10. Juni. Es ist ein Räderwerk aus Zahlen, das uns alle beherrscht. Ob wir wollen oder nicht.
20. Juni. Trinken ist wie Träumen: Du vergisst, was du gedacht hast. Hinterher ist immer alles weg. Es sei denn, du schreibst.
28. Juni. Berlin-Mitte-Beobachtungen. Ein mittelalter Ministerialbeamter im dunklen Anzug, aber mit rotem Rucksack und Rennrad. Eine dicke überentwickelte vierzehnjährige Provinztussi auf Klassenfahrt mit lächerlich blonden Haaren und einem „Punk is not dead“-T-Shirt in Signalgelb. Der Typ mit dem Club-Gesicht, gegelte Haare und Drei-Tage-Bart, lässig ins Smartphone murmelnd, aber dann unter dem Kinn ein schwarzer Beerdigungsanzug und perfekt gewienerte Lederschuhe; offenbar tagsüber Assistent eines Lobbyisten.
20. Juli. Wie beleidigt der Müßiggänger einen Karrieremenschen? „Du Uhrensohn.“
15. August. Wenn du anfängst, darüber nachzudenken, ist es weg.
16. August. Bei Flugbuchungen kann man jetzt spezielle Menüs buchen. Ich habe mich für vegan, koscher und halal entschieden. Bekommen habe ich eine Mohrrübe, die vom Dalai Lama gesegnet war.
20. August. Ein Kind kann das größte Ereignis eines Lebens sein – oder, im Falle einer Tragödie, ein schwarzes Loch, in dem man auf ewig versinkt. Ich bin an dieser Bude vorüber gegangen, ohne mir ein Los zu kaufen. Auf dem großen Jahrmarkt des Lebens bin ich zum Süßigkeitenstand hinüber geschlendert und habe mir gebrannte Mandeln geholt.
21. August. Es ist ja nicht so, dass ich nicht aktiv wäre. In diesem Augenblick formt meine rechte Arschbacke beispielsweise meine Brieftasche.
24. August. Meine Narben: Bei Büchern nennt man es Gebrauchsspuren.
20. September. Ich bin 46 Jahre alt – und habe immer noch keine Jünger.
21. September. Schön, dass man mir im Supermarkt am Freitagnachmittag ein schönes Wochenende wünscht. Mein ganzes Leben ist ein schönes Wochenende. Aktuelle Planung: Bis zu meinem 55. Geburtstag ein erfolgloser Schriftsteller sein, 2022 dann wieder voll angreifen.
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22. September. Bin soeben bei dem Versuch gescheitert, mich als „Gott“ bei Facebook anzumelden.
A: Du bist doch besoffen! B: Einigen wir uns auf halbbesoffen.
27. September. Wir sind süchtig nach Zielen, süchtig nach Sinn. Die Mutter aller Fragen: Sind wir schon da?
28. September. Damit fängt alles an: Du wirst geboren. Passiv. Du bringst dich nicht selbst auf die Welt. Du bist etwas Fremdes und versuchst dein Leben lang, etwas Eigenes zu werden.
1. Oktober. Wer keinen Ehrgeiz hat, erreicht seine Ziele schneller.
3. Oktober. In der Wissenschaft heißen Vorurteile Hypothesen.
5. Oktober. Ich kann nicht ewig untätig bleiben, also habe ich eine Weiterbildung beantragt. Ich möchte Entspannungscoach werden. Aber ich würde notfalls auch Sterbebegleiter werden, im Management, in den Banken, in der Politik …
Wenn du im Traum fällst, wachst du auf. In der Realität auch.
26. Oktober. Wenn du es wirklich geschafft hast, dann geht ein kleiner Mann neben dir, der dein Schweigen interpretiert.
Berlin: Hier bleibt man, weil man unzufrieden ist.
27. Oktober. Es gibt keine Informationsflut. Information ist ein Wasserhahn, den ich beliebig auf- oder zudrehen kann.
Es ist erstaunlich, wieviel Zeit man sparen kann, wenn man etwas einfach mal sein lässt.
Der Baumarkt ist das Nagelstudio des Mannes.
29. Oktober. Nachdenken gilt im Fernsehen als Niederlage.
16. November. Im Internet gelesen: Die Schlauen leben von den Dummen und die Dummen leben von der Arbeit.
17. November. Stell Fragen wie ein Philosoph und gib Antworten wie ein Kind.
29. November. In Albanien sind die Leute so arm, da malen sie Gesichter auf Luftmatratzen und verkaufen sie als Sexpuppen.
3. Dezember. Gerüchte? Die gab es immer. Mir wurde schon so manche Karriere angedichtet.
18. Dezember. Erwartest du etwas Gutes oder Schlechtes, wenn dir jemand von hinten auf die Schulter tippt?
26. Dezember. Es gibt Dressurreiten für Pferde, aber kein Dressurreiten für Esel. Welches Tier ist das Klügere?
AC/DC – Thunderstruck. https://www.youtube.com/watch?v=v2AC41dglnM&list=RDv2AC41dglnM#t=0

2 Kommentare:

  1. Wir nähern uns dem Zusammenbruch ...

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    1. Au contraire, mon capitan! Was bis zum Ground Zero einer heroischen Künstlerexistenz noch kommt, ist in die 2013er Blogeinträge bis Ende Mai eingeflossen. Das Notizbuch wurde, zusammen mit meinem Notebook, Kamera, Handy, Brieftasche, Papiere usw. bei einem Wohnungseinbruch eingesackt. Lustigerweise auch ein komplett leeres Notizbuch, das teuerste, das ich mir je geleistet habe (geprägter Ledereinband, handgeschöpftes Papier usw. - 30 €). Vermutlich, weil es in einem imposanten DIN A5-Geldsack der Deutschen Bundesbank gesteckt hat. Der Notizbuch-Zyklus ist abgeschlossen und am Sonntag geht's nach Berlin :o)

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