Es hat
die ganze Nacht geregnet. Als die Dämmerung bleigrau anbricht, setzt er sich
auf die Holzbank auf seiner schmalen Veranda und blickt ins Tal. Undurchdringlicher
Nebel zieht auf und verschluckt das Dorf, schließlich auch die Kirchturmspitze.
Er hat das Gefühl, aus einem Flugzeug über die Wolken zu blicken.
Um
sieben Uhr steht er auf und geht auf einem Feldweg durch den tropfnassen Wald
ins Dorf hinunter. Auf dem Bahnsteig sieht er wie an jedem Werktag die vier
Menschen, die auch nach Winterthur zur Arbeit fahren. Etwas abseits steht ein
Fremder, den er noch nie gesehen hat.
Der
Zug kommt pünktlich. Er setzt sich an seinen üblichen Platz am Fenster des
mittleren Wagens. Seit zwanzig Jahren das gleiche Ritual. An dieser Station sind
die Pendlerzüge noch fast leer, die Fahrt in die Stadt dauert eine halbe
Stunde. Der Fremde setzt sich auf die andere Seite, eine Reihe hinter ihm.
Als
sie in Winterthur ankommen, geht er zu seiner Bushaltestelle. Es gibt auf dem
Bahnhofsplatz zehn Bushaltestellen, mehr als vor dem Berliner Hauptbahnhof. Er
steht an der Haltestelle H, wo er auf den Bus 670 wartet. Der Fremde ist nur
wenige Schritte von ihm entfernt und betrachtet die Fassade des
gegenüberliegenden Gebäudes, in dem eine Postfiliale untergebracht ist.
Der
Bus kommt, er zeigt dem Fahrer seine Monatskarte und setzt sich in die letzte
Reihe. Er will niemanden hinter sich haben, weil er misstrauisch geworden ist. Der
Fremde steigt als Letzter ein und geht durch den ganzen Bus nach hinten. Er ist
um die sechzig, sein eisengraues Haar ist dünn und liegt auf seinem breiten Schädel
wie eine Kappe. Der Mann trägt einen dunkelblauen Stoffmantel und einen braunen
Schal.
Er
betrachtet ihn aufmerksam, als er immer näherkommt. Die tiefen Furchen in
seinem Gesicht erinnern ihn an den späten Lee Marvin. Der Fremde setzt sich
ebenfalls in die letzte Reihe, aber auf die andere Seite, und sieht mit
ausdruckslosem Gesicht aus dem Fenster. Haltestelle folgt auf Haltestelle. Bald
wird er in der Stadtverwaltung sein, das Büro erscheint ihm plötzlich als der
sicherste Ort der Welt.
Der
Fremde dreht seinen Kopf zu ihm. „Heute ist der Tag.“
„Was?“
„Sie
werden aktiviert.“
„Wie
meinen Sie das?“
„Sie
werden heute nicht ins Büro gehen. Sie fahren nach Zürich und fliegen von dort
nach Budapest.“
„Was
soll ich denn da?“
„Ihren
Auftrag entgegennehmen. Ich kenne den Inhalt nicht. Hier sind die Flugtickets
und der Ausweis mit Ihrer neuen Identität.“
„Sie
sind doch völlig wahnsinnig.“
„Ich
nenne Ihnen jetzt den Aktivierungscode. Bonetti Blau Zikade.“
„Muss Elon
Musk töten. Muss Elon Musk töten.“