Sonntag, 8. Februar 2015

Wir siegen uns zu Tode

“The great nations have always acted like gangsters, and the small nations like prostitutes.” (Stanley Kubrick)
Am 1. Januar 2015 ist Ulrich Beck gestorben. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich als Studienanfänger sein berühmtes Buch „Risikogesellschaft“ gelesen habe. Es hat mich damals sehr beeindruckt. Die Kernthese habe ich nie vergessen: Egal, was wir machen, egal, was wir wollen – es gibt immer Nebenfolgen. Nebenfolgen, die wir nicht im Hinterkopf haben, die aber dennoch in der Welt sind. Wir essen ein Snickers und produzieren womöglich nebenbei Ausbeutung, Unterdrückung, Müll und Gift. Wir stoßen eine Billardkugel an und andere Kugeln bewegen sich ebenfalls, die wiederum neue Kugeln anstoßen. Kaskadeneffekte. Wir genießen mit geschlossenen Augen unser Snickers und lösen ungewollt Ereignisse aus und greifen in das Leben anderer Menschen ein.
Daran muss ich dieser Tage denken. Seit dem Fall der Mauer und dem vermeintlichen Sieg des Westens im „Kampf der Systeme“ eilen wir von Sieg zu Sieg. 1991, im Jahr des sowjetischen Zusammenbruchs, begann der Krieg der USA gegen den Irak. Und seitdem werden „erfolgreich“ Kriege geführt: Jugoslawien, Somalia, Afghanistan, Pakistan, Jemen, Syrien, Libyen, Gaza, nochmal Irak … - ich habe gar keine Lust, all die Länder aufzuzählen, in denen die USA mit wechselnder Gefolgschaft durch militärische Aktionen, Söldner, Drohnenangriffe oder Waffenlieferungen Menschen ermordet haben. Dazu kommt die ökonomische Kriegsführung: Griechenland, Russland, Argentinien, Iran usw. Offiziell sind wir immer die Gewinner. Aber die Nebenfolgen sind längst sichtbar. Täglich wächst die Welle: Flüchtlinge, Terroristen, Armut, Aggression, Hoffnungslosigkeit, Tod. Diese Nebenfolgen werden uns eines Tages überfluten, obwohl es niemand von uns gewollt hat.
Ich glaube nicht an Verschwörungstheorien. Das Ergebnis unserer Politik wurde nicht in geheimen Zirkeln definiert. Als Kollektiv taumeln wir besinnungslos vorwärts, weil niemand jemals in der Lage war, der Geschichte unserer Gattung eine Richtung zu geben. Es ist die Summe unserer Handlungen, die von Eitelkeit, Narzissmus, Besserwisserei, Geltungssucht und der Gier nach Geld, Macht und großartigen Jobs bestimmt werden, die uns durch die Zeit auf ein ungewisses Ziel zutreibt. Und die Summe der Einzelbewegungen ist ganz einfach: Wir sind die Sieger, aber der Preis für unseren Sieg ist die Niederlage der anderen, deren Frieden, deren Sicherheit, deren Stabilität. Für die kurzfristige Befriedigung unserer Selbstverliebtheit haben wir langfristig ganze Staaten und Kulturen zerstört. Denken Sie daran, wenn sie mit Ihren schicken Einkaufstüten in der Hand einem syrischen Flüchtling begegnen.
Chet Baker - You Go to My Head. https://www.youtube.com/watch?v=-XXFqAa0jgo

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