Ich
bin seit zehn Jahren tot. Das ist der beste Weg, um nicht gesucht zu werden. Alles
begann mit einer Geldübergabe. Ich sollte das Kokain in einem Hotelzimmer in
Rostock abholen. Den Koffer mit einer Million Euro in bar hatte ich auf dem
Beifahrersitz.
Aber
ich fuhr damals nicht ins Hotel, sondern ließ den Wagen in einer Tiefgarage
stehen. Dann rief ich mir ein Taxi und fuhr zum Hafen. Ich nahm die Fähre nach
Trelleborg und legte beim Kauf des Tickets brav meinen Ausweis vor. Am Morgen hatte
ich Abschiedsbriefe an meine Eltern und zwei gute Freunde verschickt. Ich
kündigte meinen Selbstmord an. Ich wollte mitten auf der Ostsee von der Fähre
springen.
Niemand
findet eine Leiche auf hoher See. Vor allem, wenn es gar keine Leiche gibt. In
Trelleborg nahm ich den Bus nach Malmö und den Zug nach Kopenhagen. Dort
verstaute ich den Geldkoffer in einem Schließfach am Hauptbahnhof und
verbrachte die Nacht auf einer Bank im nahegelegenen Botanisk Have. Am nächsten
Morgen fuhr ich mit dem Zug nach Hamburg, von dort nach Köln und dann weiter
nach Nürnberg. Wichtig: Immer bar am Fahrkartenautomaten zahlen, kein Kontakt
zu Leuten, die einen später identifizieren können.
Ohnehin
darf man keine Datenspur hinterlassen. Kein Handy, kein eigener PC, keine Mail-Accounts,
keine Bankkonten, keine Kreditkarten. Meine bürokratische und digitale Identität
habe ich in einem Mülleimer am Hamburg-Wellingsbüttel entsorgt, wo es keine Überwachungskameras
gibt. Bargeld besaß ich genug.
Um
unterzutauchen, braucht man eine Stadt, die nicht zu groß, aber auch nicht zu
klein sein darf. Kein touristischer Hotspot, keine Kameras, die für die
Gesichtserkennung genutzt werden können. Ich entschied mich für Forchheim.
Viele Biergärten und Wirtshäuser, gutes Essen und gutes Bier. Ich sage nur: Kellerwald.
Ich
suchte mir eine kleine Pension, die keinen Ausweis verlangt. Man trägt sich
einfach mit einem Phantasienamen, in meinem Fall Gerhard Dobler, auf dem
Meldezettel ein und zahlt jede Woche pünktlich in bar. Die Wirtsleute freut
Bargeld immer, denn der Geldfluss ist nicht zurückzuverfolgen. Win-win.
Natürlich
darf man keinen Kontakt mehr zu Freunden und Verwandten haben. Ich habe mir
einen Bart wachsen lassen, die Haare sind getönt. Man erfindet einfach eine neue
Identität, falls die Leute fragen. Ich schreibe Kriminalromane, erzähle ich immer.
Ich brauche ein halbes Jahr Ruhe. Dann ziehe ich wieder weiter. Bisher hat mich
niemand gefunden.
... warum machst du aus den ganzen kurzen Sachen nicht ein (längeres) Buch?
AntwortenLöschenDavon gibt's ein halbes Dutzend als E-Book bei Amazon. Einfach unter "Matthias Eberling" nachschauen.
LöschenUnd dann immer alleine sein ?
AntwortenLöschenEin furchtbares Leben
Warum sollte man in einem neuen Leben keine neuen Leute kennenlernen? Merkwürdige Vorstellung.
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