Gestern ist der Parteitag der Grünen zu Ende gegangen und da
hatte ich plötzlich die Idee, mir ihr erstes Parteiprogramm von 1980 noch
einmal anzuschauen. Schon die Präambel (Prä-Ampel, muhaha) ist sehr lustig. Die
Partei fühlt sich der „Arbeiterbewegung“ verbunden. Der „Abbau demokratischer
Rechte“ hat ein „so bedrohliches Ausmaß erreicht“, dass dieses Land eine
„grundlegende Alternative“ brauche. Offenbar meinten sie sich selbst. „Ein
völliger Umbruch unseres kurzfristig orientierten wirtschaftlichen Zweckdenkens
ist notwendig.“ Ja, wo ist er denn? Irgendwie in 43 Jahren verloren gegangen.
Bei wirtschaftlichem Zweckdenken fällt mir als erstes Robert Habeck ein. „Wir
werden uns nicht an einer Regierung beteiligen, die den zerstörerischen Kurs
fortführt.“ Was haben wir gelacht.
In den ersten Kapiteln folgen weitere schöne Bonmots. Da
ist die Rede von „selbstbestimmten und selbstversorgenden überschaubaren
Wirtschafts- und Verwaltungseinheiten“, „ausbeuterische Wachstumszwänge“ werden
beklagt, Arbeitszeitverkürzung (35-Stunden-Woche!) und direkte Demokratie
gefordert. Es lebe die Gewaltfreiheit, nur sozialer Widerstand ist erlaubt.
Habe ich auch schon lange nicht mehr bei den Grünen gehört, vor allem nicht von
Flinten-Anton. Eine „gerechte Verteilung der geschaffenen Werte“? Da hatten
doch irgendwelche Marxisten ihre Finger im Spiel.
„Energieimperialismus“ ist ein schöner Begriff. Die
Industrieländer verbrauchen immer mehr, die Entwicklungsländer können sich
immer weniger leisten. Da sehe ich wieder Habeck vor meinem geistigen Auge, wie
er mit seinem Geldköfferchen ganz brav einen Diener in Qatar macht. Flüssiggas
muss man sich halt leisten können, liebe Afrikanerinnen und Afrikaner,
Solidarität hört beim Thema Heizung auf. Interessant: Beim Thema Landwirtschaft
wird Veganismus oder Vegetarismus gar nicht angesprochen. Gab’s das bei den
Körnerfressern 1980 noch nicht? Aber Makrobiotik fehlt auch.
„Keine Kontrolle der Ausleihkarteien und keine Einziehungen
von Büchern aus öffentlichen Büchereien.“ Da werde ich richtig nostalgisch.
Hand aufs Herz: Wann waren Sie zuletzt in einer öffentlichen Bücherei? Gibt’s
die überhaupt noch?
„Die Verfilzung zwischen Parlamenten, Regierungen,
Bürokratien und der Wirtschaft durch Beraterverträge, Zuwendungen,
Aufsichtsratssitze ist zu unterbinden.“ Das will ich auch! Aber jetzt machen
die Grünen ja endlich was dagegen.
„Politische Ämter sind ehrenamtlich. Ausgenommen davon sind
Aufwandsentschädigungen, deren Höhe von der Mitglieder- bzw. Delegiertenversammlung
festgelegt werden.“ WHAT ?!?
Migranten kommen nur als ausländische Arbeitskollegen vor.
Das auch nur einer von ihnen hierbleiben könnte, geht offenbar 1980 über den
geistigen Horizont. „Wir fordern, daß die ausländischen Kollegen und ihre
Familien auf Wunsch mit allen Bürgerrechten unserer Gesellschaft ausgestattet
werden (Freizügigkeit, freie Wahl des Arbeitsplatzes, freie politische
Betätigung).“
Schwule und Lesben werden als „sexuelle Außenseiter“
bezeichnet, deren Rechte man stärken möchte. Antike Begriffswelt.
Allerletzter Punkt des Programms: Behinderte. Wie immer.
War schön jewesen.
"Antike Begriffswelt"
AntwortenLöschen1980 hatte Deutschland 78,29 Millonen Einwohner
1980 hatte Deutschland einen Ausländeranteil von ca. 7,5 Prozent.
1980 betrug der durchschnittliche Benzinpreis 30,8 Eurocent pro Liter.
1980 betrug die Wochenarbeitszeit eines durchschnittlichen Arbeiters 42 Stunden und der Verdienst betrug 6,86 Euro je Stunde
1978/1979 erstritt die IG Metall 6 Wochen Tarifurlaub
1980 betrug der Nominalzins in Deutschland 8,8 Prozent bei 5,4 Prozent Inflation/Jahr
Die Sache mit dem Urlaub ist gleich geblieben ...
Gruß
Jens
> „Keine Kontrolle der Ausleihkarteien und keine Einziehungen von Büchern aus öffentlichen Büchereien.“ Da werde ich richtig nostalgisch. Hand aufs Herz: Wann waren Sie zuletzt in einer öffentlichen Bücherei? Gibt’s die überhaupt noch?
AntwortenLöschen*Hüstel* Natürlich gibt es die noch. In den USA ist das Thema von Büchern, die aus öffentlichen Bibliotheken entfernt werden, übrigens gerade hochaktuell.
Merkt das noch jemand?
LöschenOder suchen die Bibliotheken mit dieser Story den Weg ins Rampenlicht? :o)
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