Montag, 27. November 2023

Der grüne Bundesparteitag

 

Gestern ist der Parteitag der Grünen zu Ende gegangen und da hatte ich plötzlich die Idee, mir ihr erstes Parteiprogramm von 1980 noch einmal anzuschauen. Schon die Präambel (Prä-Ampel, muhaha) ist sehr lustig. Die Partei fühlt sich der „Arbeiterbewegung“ verbunden. Der „Abbau demokratischer Rechte“ hat ein „so bedrohliches Ausmaß erreicht“, dass dieses Land eine „grundlegende Alternative“ brauche. Offenbar meinten sie sich selbst. „Ein völliger Umbruch unseres kurzfristig orientierten wirtschaftlichen Zweckdenkens ist notwendig.“ Ja, wo ist er denn? Irgendwie in 43 Jahren verloren gegangen. Bei wirtschaftlichem Zweckdenken fällt mir als erstes Robert Habeck ein. „Wir werden uns nicht an einer Regierung beteiligen, die den zerstörerischen Kurs fortführt.“ Was haben wir gelacht.

In den ersten Kapiteln folgen weitere schöne Bonmots. Da ist die Rede von „selbstbestimmten und selbstversorgenden überschaubaren Wirtschafts- und Verwaltungseinheiten“, „ausbeuterische Wachstumszwänge“ werden beklagt, Arbeitszeitverkürzung (35-Stunden-Woche!) und direkte Demokratie gefordert. Es lebe die Gewaltfreiheit, nur sozialer Widerstand ist erlaubt. Habe ich auch schon lange nicht mehr bei den Grünen gehört, vor allem nicht von Flinten-Anton. Eine „gerechte Verteilung der geschaffenen Werte“? Da hatten doch irgendwelche Marxisten ihre Finger im Spiel.

„Energieimperialismus“ ist ein schöner Begriff. Die Industrieländer verbrauchen immer mehr, die Entwicklungsländer können sich immer weniger leisten. Da sehe ich wieder Habeck vor meinem geistigen Auge, wie er mit seinem Geldköfferchen ganz brav einen Diener in Qatar macht. Flüssiggas muss man sich halt leisten können, liebe Afrikanerinnen und Afrikaner, Solidarität hört beim Thema Heizung auf. Interessant: Beim Thema Landwirtschaft wird Veganismus oder Vegetarismus gar nicht angesprochen. Gab’s das bei den Körnerfressern 1980 noch nicht? Aber Makrobiotik fehlt auch.

„Keine Kontrolle der Ausleihkarteien und keine Einziehungen von Büchern aus öffentlichen Büchereien.“ Da werde ich richtig nostalgisch. Hand aufs Herz: Wann waren Sie zuletzt in einer öffentlichen Bücherei? Gibt’s die überhaupt noch?

„Die Verfilzung zwischen Parlamen­ten, Regierungen, Bürokratien und der Wirtschaft durch Beraterverträge, Zuwendungen, Aufsichtsratssitze ist zu unterbinden.“ Das will ich auch! Aber jetzt machen die Grünen ja endlich was dagegen.

„Politische Ämter sind ehrenamtlich. Ausgenommen davon sind Aufwandsentschädigungen, deren Höhe von der Mitglieder- bzw. Delegiertenversammlung festgelegt werden.“ WHAT ?!?

Migranten kommen nur als ausländische Arbeitskollegen vor. Das auch nur einer von ihnen hierbleiben könnte, geht offenbar 1980 über den geistigen Horizont. „Wir fordern, daß die ausländischen Kollegen und ihre Familien auf Wunsch mit allen Bürgerrechten unserer Gesellschaft ausgestattet werden (Freizügigkeit, freie Wahl des Arbeitsplatzes, freie politische Betätigung).“

Schwule und Lesben werden als „sexuelle Außenseiter“ bezeichnet, deren Rechte man stärken möchte. Antike Begriffswelt.

Allerletzter Punkt des Programms: Behinderte. Wie immer.

War schön jewesen.  

4 Kommentare:

  1. "Antike Begriffswelt"
    1980 hatte Deutschland 78,29 Millonen Einwohner
    1980 hatte Deutschland einen Ausländeranteil von ca. 7,5 Prozent.
    1980 betrug der durchschnittliche Benzinpreis 30,8 Eurocent pro Liter.
    1980 betrug die Wochenarbeitszeit eines durchschnittlichen Arbeiters 42 Stunden und der Verdienst betrug 6,86 Euro je Stunde
    1978/1979 erstritt die IG Metall 6 Wochen Tarifurlaub
    1980 betrug der Nominalzins in Deutschland 8,8 Prozent bei 5,4 Prozent Inflation/Jahr

    Die Sache mit dem Urlaub ist gleich geblieben ...

    Gruß
    Jens

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  2. > „Keine Kontrolle der Ausleihkarteien und keine Einziehungen von Büchern aus öffentlichen Büchereien.“ Da werde ich richtig nostalgisch. Hand aufs Herz: Wann waren Sie zuletzt in einer öffentlichen Bücherei? Gibt’s die überhaupt noch?

    *Hüstel* Natürlich gibt es die noch. In den USA ist das Thema von Büchern, die aus öffentlichen Bibliotheken entfernt werden, übrigens gerade hochaktuell.

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