Er hatte sich eine fette Line
auf den Spülkasten der Toilette gelegt und den Hunderter zusammengerollt.
Verdammt! Das Zeug ätzte ihm die Nasenschleimhaut weg. Was mischten die
verdammten Russen ins Kokain? Abflussreiniger? Rattengift? Aber es gehörte zu
einem guten Abend im Poor
Boy dazu. Berlins angesagtester Club. Fünfzig Euro
Eintritt, kein Cocktail unter zwanzig Euro – und für schöne Frauen war alles
umsonst.
Er schüttelte den Kopf, zog am
Waschbecken ein paar Tropfen Leitungswasser nach und ging zurück zu seinem
Tisch. Wo war Samanta? Oder war ihr Name Irina? Vanessa? Egal. Er sog an seinem
Long Island Ice Tea. Ihm wurde schwindelig. Hatte ihm jemand was in seinen
dritten Drink getan? Dieser Drecksclub. Nur Lärm und Finsternis und sein Geld
rauschte durch wie Scheiße durch eine Abwasserleitung.
Als er unter den Tisch rutschte
und mit dem Kopf auf dem gefliesten Boden aufschlug, wurde ihm erst schwarz vor
Augen. Aber dann wurde es hell. Er blickte auf die Unterseite des Tisches und sah kleine Lichtpunkte. Sie ordneten sich nach einem Augenblick zu
Buchstaben. Er las: „Du trägst eine Maske und blickst in den Spiegel. Was
siehst du? Komm zur GMI in der Kleiststraße 44.“
Als er am nächsten Morgen
verkatert aufwachte, konnte er sich merkwürdigerweise an nichts mehr erinnern.
Aber den Spruch hatte er noch im Kopf. Er duschte und rief dann die
Fahrbereitschaft des Bundestags an. Er hatte einen Termin beim Bundesverband
der chemischen Industrie. Es ging um ein Gesetz gegen
Unkrautvernichtungsmittel. Ein Routinejob. Der Verband konnte sich auf seine
Partei verlassen. Die FDP-Fraktion würde geschlossen gegen das Gesetz stimmen.
Danach ließ er sich von seinem Chauffeur
in die Kleiststraße 44 fahren. Das alte Bürogebäude lag am Stadtrand in
Berlin-Karow. Er stieg aus und las die Firmenschilder an der Fassade. GMI.
Vierter Stock. Gesellschaft für morbide Infiltration. Darunter konnte er sich
nichts vorstellen. Er ging hinein und nahm den Fahrstuhl. Auf der
Mattglasscheibe stand in goldenen Buchstaben noch einmal der Name der
Gesellschaft. Er klopfte und trat ein.
Vor ihm saß eine uralte Frau in
einer Strickjacke. Sie tippte im Zeitlupentempo auf einer Schreibmaschine und
brauchte eine Weile, bis sie ihn sah.
„Guten Tag! Mein Name ist Sebastian Geigenheimer. Ich hätte gerne den
Geschäftsführer gesprochen.“
Sie
lächelte ihn an und deutete auf eine Tür. „Er wartet schon auf Sie.“
Geigenheimer
klopfte und öffnete die Tür. Vor ihm saß ein wohlbeleibter Herr mit Glatze,
Monokel und Zigarre an seinem Schreibtisch. Er lächelte jovial und bat ihn mit
einer Handbewegung, sich zu setzen. Auf seinem Namensschild stand: Vitus
Moderer.
„Sie
haben also unsere Botschaft bekommen?“
„Ja“, antwortete
Geigenheimer und war verwirrt. Handelte es sich hier um einen Scherz seiner
Fraktionskollegen? Oder des politischen Gegners aus dem linken Lager?
„Man
muss ganz unten sein, um zu uns zu kommen“, sagte Moderer.
„Das
war ich gestern Abend.“
„Ich
komme gleich auf den Punkt. Die Gesellschaft für morbide Infiltration hat es
sich zur Aufgabe gemacht, das Ende des sterbenden Kapitalismus zu
beschleunigen. Wir geben dem System gewissermaßen den letzten Tritt und
schaffen auf diese Weise Platz für das Neue. Ich hoffe, ich habe Ihr Interesse
geweckt.“
Zu
seiner eigenen Verblüffung nickte Geigenheimer.
Rauschgift: Eine unverriegelte Tür im Gefängnis der Identität.
AntwortenLöschenSie führt auf den Gefängnishof.
Ambrose Gwinnett Bierce (1842 - 1914)
... FORTSETZUNG folgt - oder wie oder WAS ?!?
Fortsetzung folgt ... in deinem Kopfkino.
LöschenDer angezählte Kapitalismus steht
AntwortenLöschenkurz vor der 10 immer wieder auf, weil sein Kumpel Krieg ihm aus der Patsche hilft. Das ist das Problem.
Die Hetzer und Kriegstreiber kriechen nicht grundlos aus ihren Löchern.
Das ist leider richtig. Aber solche kleinen Geschichten sind immer ein Schreibvergnügen. Das Vergnügen als Ersatz für die Hoffnung auf Veränderung.
Löschenlass uns doch etwas hoffen gegen jeden verstand, wenns nicht anders geht. nicht alles ist planbar, nicht alles logisch. ich verliere mit hoffnung nichts, mit hoffnungslosigkeit viel.
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