Freitag, 15. Januar 2016

The Great Antikmöbel Swindle

„Der Unternehmer ist ein moderner Alchimist, der aus dem Schweiß der Armen Gold und Geschmeide machen kann.“ (Lupo Laminetti)
Es ist viele Jahre her, ich war noch ein junger Geschichtenerzähler und lebte in Wichtelbach. Es muss zur Zeit von Helmut I. gewesen sein, der auch als Helmut der Selbstgerechte bekannt war, und auf den Helmut II. folgte, Helmut der Schwere. Gelegentlich hatte ich in der großen Stadt zu tun, stöberte durch die Geschäfte, besuchte alte Studienfreunde und trieb in den Schänken allerlei Unfug.
Und so begab es sich, dass ich eines Abends am Tresen mit einem Zahnarzt ins Gespräch kam, der – selbstverständlich mit allem Wohlstand ausgestattet, der Zahnärzten zu eigen ist – mich fragte, ob ich in meinem Dorf nicht einen Bauern kennen würde, der mir einen alten Sessel verkaufen könnte.
„Nichts leichter als das“, antwortete ich ihm frohgemut. „Ich besitze selbst einen Sessel, in dem schon mein Ururgroßvater gesessen hat. Die Ahnen meiner Ahnen haben bereits dieses wunderbare Stück besessen und es durch alle Fährnisse der Zeiten, durch alle Kriege und Feuersnöte hindurch gebracht“, fabulierte ich munter drauf los.
Der Wein hatte mir die ohnehin lockere Zunge gelöst und alsbald fand ich mich mit diesem Zahnarzt in ernsthaften Verhandlungen über den Preis. Ein solches Erbstück ist eigentlich unverkäuflich, es gehört zur Familie und wie könnte ich mich von ihm trennen, anstatt es dereinst meinen eigenen, noch ungeborenen Kindern zu vererben. Unter dreitausend Mark war nichts zu machen. Mein allerletztes Angebot.
Ich schwöre es beim Glasauge meiner Großmutter: In der darauffolgenden Woche holte er den mottenzerfressenen Sessel, den ich mir ein Jahr zuvor beim örtlichen Sperrmüll besorgt hatte. Und ich hatte natürlich Lunte gerochen. Aus meinem Wohnzimmer war der ganze andere Sperrmüll- und IKEA-Ramsch verschwunden. Dafür lehnte malerisch ein altes Wagenrad an der Wand, ein Dreschflegel und ein Kummet zierten die Wände und allerlei antiker Flohmarkttinnef wie alte Apothekerfläschchen und blau bemaltes Steingut standen in den Regalen.
Der Zahnarzt war begeistert. Und weil ich ein guter Geschichtenerzähler bin, gab es zu jedem Stück auch eine schöne Geschichte. Ein Salzfässchen hatte eine nicht unbeträchtliche Rolle in der unglücklichen Liebesgeschichte einer Baroness gespielt, eine Tabaksdose hatte zur Kaiserzeit einem Mordopfer gehört. Er versprach, am nächsten Wochenende mit Freunden wiederzukommen.
Und so begann das einträgliche Geschäft. Ich kaufte den Wichtelbacher Bauern ihren Trödel ab, leerte die alten Scheunen und brachte frisches Geld ins Dorf. Die reichen Stadtmenschen kauften mir die antiken Stücke ab, um die sich – im Gegensatz zur Fabrikware in den Geschäften – immer so herrlich pittoreske Geschichten rankten. Und als die alten Möbel des Dorfes verhökert waren, ließ ich von einem befreundeten Tischler neue Möbel anfertigen, neue Dreschflegel und Wagenräder, denen er mit geschickter Hand Patina verlieh.
Leider haben die jungen Leute ja heutzutage keinen Geschmack mehr.
The Muppets - Bohemian Rhapsody. https://www.youtube.com/watch?v=T5ZU3TGf7Iw

6 Kommentare:

  1. Holzwurmlöcher lassen sich prima durch einen Schuss aus der Schrotflinte erzeugen.

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    1. Endlich meldet sich mal ein Experte. Wir brauchen hier in Schweppenhausen ein paar neue Kunden. Bist du zufällig aus Düsseldorf, Baden-Baden oder Frankfurt?

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    2. Prima - auch so ein antikes Wort :)

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    3. Noch älter: "Kolossal" (Berlin, Kaiserzeit).

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