Samstag, 6. September 2014
Wie es zu Ende ging
Herbert Kümmelspalter war glücklich. Er stand gerade zwischen den hohen Regalen eines Baumarkts im Gewerbegebiet draußen vor der Stadt und betrachtete die scheinbar unerschöpfliche Vielfalt der Schrauben, als es ihn wie ein Blitz traf. „Ich habe es geschafft“, dachte er. „Ich habe alles: Gesundheit, einen bombensicheren Beruf, eine tolle Familie, ein schönes Haus, ein neues Auto, sämtliche Werkzeuge und Gartengeräte, die ich brauche, manches sogar zweifach. Ich bin Fußballweltmeister und mein Lieblingsverein ist deutscher Meister. Nur noch dieses Päckchen Schrauben und alles ist perfekt.“ Mit einem seligen Lächeln nahm er das Päckchen aus dem Regal und ging zur Kasse. In diesem Augenblick klingelte im Himmel das Telefon. Gott drückte einen weißen Knopf. Er wusste, wer ihn sprechen wollte.
„Was willst du, Satan?“
Der Teufel lachte. „Ich habe gerade einen glücklichen Deutschen entdeckt. Lass mich ihn versuchen, himmlischer Herrscher.“
„Was möchtest du von diesem Menschen? Die Deutschen sind liebenswerte und friedliche Menschen.“
Wieder lachte der Teufel, so dass es in der Hölle dröhnte. „Du scheinst ein kurzes Gedächtnis zu haben. Diese Leute sind doch nur so herzensgut und freundlich, weil du ihren Wohlstand schützt.“
Da wurde Gott zornig. „Du denkst falsch von den Menschen, aber ICH habe sie erschaffen. Wie kannst du nur so schlecht von MEINEM Werk denken?“
„Ich bin der Teufel. Hast du das vergessen?“
„Dir soll das vorlaute Maul gestopft werden. Versuche diesen aufrechten Mann! Versuche das ganze Land! Du wirst mit deiner Boshaftigkeit scheitern.“
Mit einem diabolischen Lachen legte der Teufel auf und machte sich an sein Werk.
Zuerst nahm er Herbert Kümmelspalter die Arbeit. Die Aufträge für seine Firma blieben aus und so musste er entlassen werden. Eine Wirtschaftskrise zog herauf und er fand keine Arbeit mehr. Er saß den ganzen Tag zu Hause und begann zu trinken. Seiner Frau ging alsbald die Sauferei auf die Nerven und reichte die Scheidung ein. Sie zog aus und verlangte die Hälfte des Hauses. So wurde das Haus verkauft, das Geld geteilt und Kümmelspalter zog in ein kleines Appartement in der Innenstadt. Er bekam Streit mit seinen Nachbarn, prügelte sich und lag zwei Wochen im Krankenhaus. Die Wirtschaftskrise wurde härter, auch sein Sohn und seine Tochter verloren ihre Arbeit. Sie gaben es auf, selbst Kinder in die Welt zu setzen, denn das Leben wurde immer unsicherer. Kümmelspalter hatte sein Geld an der Börse angelegt, die Kurse sanken immer weiter und in einem Crash verlor er den letzten Rest seines Besitzes. Selbst den Scheidungsanwalt konnte er nur in Raten bezahlen. Nach einem Jahr war er auf Hartz IV. Nachdem er betrunken die Treppe hinunter gefallen war, musste er im Rollstuhl sitzen. Die Innenstadt verwandelte sich in ein Armenviertel, indem er angepöbelt und bespuckt wurde. Sein Sohn bekam Depressionen und erhängte sich, seine Tochter kam bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Kümmelspalter wurde immer trauriger und zorniger. Er verfluchte sein Leben und sein Land. Er wünschte alles zum Teufel und tatsächlich verwandelte sich Deutschland in eine Hölle, in der sich die Leute um ein Stück Brot prügelten und in ihrer maßlosen Wut einen Krieg forderten, um ihren Hass an anderen auslassen zu können. Armut, Massenarbeitslosigkeit, Krankheiten, schlechtes Wetter und Selbstmitleid plagten das Volk. Und wer vor diesem Elend in andere Länder flüchten wollte, fand die Türen verschlossen. Am Ende besorgte sich Herbert Kümmelspalter ein Gewehr und schoss vom Fenster aus wahllos auf Passanten. Die Polizei stürmte seine Wohnung und er kam ins Gefängnis.
Da klingelte wieder das Telefon im Himmel. Gott drückte den weißen Knopf.
„Na?“ lachte der Teufel. „Wer von uns beiden hat Recht gehabt?“
Gott antwortete nicht und legte auf.
Fehlfarben – Paul ist tot. http://www.youtube.com/watch?v=fmpPV-AX_qU
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