Sonntag, 6. Oktober 2024

Das ist die Zukunft

 

Es war mitten in der Nacht, als mich ein gewaltiger Lärm aus dem Schlaf riss. Ich ging ans Schlafzimmerfenster und wurde von einem gigantischen Blitz geblendet. Was war geschehen? Ich zog meine Jacke und meine Stiefel an und ging hinaus. Mein Haus steht weitab von jeder Siedlung auf einer Lichtung im Wald. Hinter den Bäumen sah ich ein blaues Licht. Ich beschloss, mir die Sache näher anzusehen.

Dort stand ein Raumschiff, das entfernt an den Millennium-Falken erinnerte. Leichter Nebel umgab das Schiff. Eine Rampe wurde heruntergelassen und ein Mann kam auf mich zu. Er trug ein blaues Uniformhemd und schwarze Hosen. Seine Ohren waren so spitz wie die Ohren eines Wüstenfuchses. Hatte ich ihn schon einmal gesehen? Aber mir fiel der Name nicht ein.

„Ich bin gekommen, um dir die Zukunft zu zeigen, Bonetti.“

„Warum gerade mir?“

„Weil du der wertvollste lebende Mensch bist, von überragender Intelligenz und mit großer medialer Reichweite.“

Was hätte ich sagen sollen? Die Leserzahlen lügen nicht.

Er zeigte mir sein Raumschiff. Am Steuer saß ein fischköpfiger Mann, der immer wieder rief: „Es ist eine Falle.“ Am meisten beeindruckte mich die Traummaschine. Sie konnte Gedanken lesen und meine Wünsche in die Realität umsetzen. Ich hatte noch nie so gutes Bier getrunken und die Kalbsbäckchen mit Semmelknödel schmeckten phantastisch. Eigentlich war ich nicht sicher, ob ich noch ein Tiramisu schaffe, aber es kam trotzdem – und ich schaffte es.

Dann flogen wir durch ein schwarzes Zeitloch ins Jahr 3024. New New York. Es gab dort weder Straßenverkehr, U-Bahnen oder Flugzeuge. Man stieg in eine Art Telefonzelle, gab das Ziel ein und wurde augenblicklich teleportiert. McDonald’s gab es immer noch, aber das Essen war virtuell. Man hatte immer noch das Gefühl und den Geschmack, einen Hamburger und Fritten zu essen, aber die Mahlzeit kam nie im Magen an. Das Spitzohr erklärte mir, die Ernährung würde in den Häusern über sogenannte Nährstoffduschen funktionieren, die alle nötigen Stoffe sofort in den Magen transportierten.

Politische Parteien und Parlamente gab es nicht mehr. Es gab ein Steuerungssystem, das den ganzen Laden am Laufen hielt. Es wurde von einem dezentral organisierten Netzwerk von KI-Einheiten kontrolliert. Umweltschutz und Klimawandel waren kein Thema mehr, weil die Nährstoffe künstlich in unterirdischen Fabriken hergestellt wurden. Die Natur wucherte überall wie blöde. Da nur noch sehr wenige Menschen Bock auf nervtötende Kinder hatten, war die Menschheit auf eine Milliarde Individuen geschrumpft. Jeder arbeitete in dem Job, auf den er Lust hatte. Den Rest erledigten Maschinen. Daher waren dreißig Prozent der Leute Künstler und fünfzig Prozent Boss von irgendwas. Der Rest lag im Bett. Ich beschloss zu bleiben, obwohl ich nicht wusste, wie ich in einer Welt ohne Geld als Geldeintreiber glücklich werden könnte.

5 Kommentare:

  1. Der letzte Absatz klingt ganz verdächtig nach einem Lob des Kommunismus. Sehn Sie sich bloß vor, Sie alter Salonbolschewist!

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    1. Im Ostblock hat die KI regiert und jeder machte, wonach ihm gerade war? Das habe ich anders in Erinnerung ;o)

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  2. Kommunismus im Ostblock? Den gabs dort nicht, das wär mir sonst bestimmt aufgefallen.

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    1. Gab's den überhaupt mal in der Praxis? Ich meine außerhalb von Kreuzberger WGs in den 70ern.

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    2. Und im Bett meiner Wohnhöhle im Prenzlauer Berg, Hinterhaus, 18 qm, Ofenheizung, Klo eine halbe Treppe tiefer, in den wilden frühen 1990ern, wenn ich mir gelegentlich mal einen gleichberechtigt-flotten Dreier (allerdings frauenfrei, ich gebs zu, ich muss nicht von allem haben) gegönnt habe. Sonst praktisch wohl eher nicht, stimmt. Vielleicht im Neandertal? Die Neandertaler*innen scheinen neben der Zubereitung von Mammut-Carpaccio jedenfalls irre viel Zeit für Bildende Kunst gehabt zu haben, wenn man die Masse der Höhlenmalereien in Betracht zieht.

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