Dienstag, 1. Oktober 2024

Neulich im 42. Stock

 

Alles begann damit, dass die Toilette auf unserer Etage kaputt war. Also stieg ich in den Fahrstuhl und wollte in ein anderes Stockwerk. Mir war gar nicht klar, wo groß dieses Bürogebäude ist. Hatte es wirklich 42 Stockwerke? Ich drückte die 42.

Als ich ausstieg, war ich völlig allein. Es herrschte ein diffuses Dämmerlicht. Hatte jemand diese Etage vergessen? Totenstille. Staub. Leere Büros. Grauer Teppichboden. Keine Fenster.

Ich ging auf die Toilette. Als ich wieder auf den Flur trat, stand eine kleine Frau vor mir.

„Arbeiten Sie hier oder sind Sie ein Geist?“ fragte ich, schlagfertig und mit einem subtilen Sinn für Humor. So kennt man mich.

„Ich bin ein Geist. Vor zwölf Jahren bin ich in meinem Büro gestorben.“

„Herzliches Beileid. Mein Name ist Bonetti.“

Ich streckte ihr meine Hand hin. Sie hob den Arm ebenfalls, aber ich griff ins Nichts. Da wurde mir klar, dass sie keinen Witz gemacht hatte.

„Wie ist es so, wenn man tot ist?“

„Es hat viele Vorteile. Ich kann nicht krank werden und habe keine Schmerzen. Ich habe viel Zeit. Keine Arbeit, kein Chef. Ich zahle keine Miete und keine Steuern.“

„Aber ist es nicht langweilig, wenn man ein Geist ist? Hier kommt doch niemand vorbei.“

„Fernsehen und Internet sind genauso banal und öde wie zu meinen Lebzeiten. Da hat sich nichts geändert. Der Tod ist so beschissen wie das Leben.“

„Sind Sie nicht einsam?“

„Nein. Die Geister der Büroangestellten, die in diesem Gebäude gearbeitet haben, kommen nach ihrem Tod hierher. Inzwischen sind wir siebzehn.“

„Und was machen Sie?“

„Wir treffen uns in der Teeküche. Obwohl wir nicht mehr essen oder trinken. Ein bisschen Smalltalk. Ein paar Witze. Ludwig ist unser Spaßvogel. Er kann die Merkel und andere Politiker perfekt imitieren.“

„Schlafen Sie auch hier?“

„Wir Geister brauchen keinen Schlaf. Wir sitzen im Büro und starren vor uns hin. Im Grunde genommen ist alles so wie früher. Es macht keinen Unterschied.“

Ich bekam einen Schreck.

„Bin ich auch ein Geist?“

„Wenn Sie fragen müssen, sind Sie vermutlich tot.“

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