Sonntag, 21. April 2024

Der geheimnisvolle Kasten – Die Fortsetzung


Als ich nach Hause kam, durchsuchte ich zuerst alle Zimmer. Niemand da. Dann stellte ich den Kasten auf den Küchentisch und betrachtete ihn eine Weile. Nirgendwo war ein Verschluss zu erkennen, kein Schloss, kein Mechanismus. Es dauerte eine halbe Flasche Wein, bis ich die versteckten magischen, nein: magnetischen Druckknöpfe inmitten der Verzierungen des Kastens entdeckte.

Ich schwöre, dass ich den Gesang von Engeln hörte, als ich sie öffnete. Sie enthielt nicht viel. Es war eine Schatzkarte. Dazu die exakten Koordinaten bis zur Winkelsekunde, ein Google-Maps-Screenshot und das Bild eines goldenen Drachens. Eine Internet-Recherche ergab: Es handelte sich um den legendären Drachen von Sichuan, der einst dem chinesischen Kaiser gehört hatte.

Also musste ich nach China.

***

Die Docks von Wichtelbach. Es war drei Uhr nachts, die Bordwache schlief schon, als ich mich auf einen Teeklipper schlich. Die „Passat“ sollte am nächsten Morgen nach Hongkong auslaufen. Ich fand einen Platz im hinteren Teil des Laderaums.

Die „Passat“ hatte nur Reis geladen. Aber wenn man rohen Reis ein paar Stunden in den Backentaschen aufweicht, kann man ihn problemlos essen. Was die Flüssigkeitszufuhr anbelangte, bediente ich mich eines alten Pfadfindertricks. Ich lutschte einen Kieselstein und trank meinen eigenen Speichel.

Nach ein paar Monaten kamen wir in Hongkong an. Beim Ausladen der Reissäcke mischte ich mich unter die Hafenarbeiter und ging von Bord. Dann ging ich direkt zum Hauptbahnhof, Mao-Zedong-Platz 1. Von dort fuhr ich mit dem Zug nach Sichuan, in die Stadt Chengdu. Von dort fuhr ich mit einer Rischka zum Ort, an dem der Schatz auf mich wartete

Zehn Kilometer vor dem Ziel ließ ich mich absetzen und bezahlte den Fahrer mit meinem letzten Geld. Ich musste in einen dichten Bambuswald. Leider musste ich auf meinem Weg einen Pandabären krankenhausreif schlagen. Ich bin nicht stolz darauf. Schließlich kam ich an den Shan Wagyu, den Berg der zehntausend Seelen. Eigentlich nur ein Fels.

Hier lag der Schatz. Ich fing an zu graben. Tagelang grub ich vor mich hin. Vielleicht hätte ich doch besser eine Schaufel statt ein Paar Essstäbchen mitnehmen sollen. Aber dann fand ich ihn. Eigentlich war es nur eine Streichholzschachtel.

Mir klopfte das Herz wie ein Kolibri. War es ein weiterer Hinweis? Nein. Ich hatte den Drachen gefunden. Er war nur zwei Zentimeter groß und wenige Millimeter dick. Schon das Gewicht verriet mir, dass er vergoldet und damit völlig wertlos war. Für dieses Stück Rotz war ich um die halbe Welt gereist? Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Sollte das alles gewesen sein?

War es nicht. Die Heimreise zu Fuß war das eigentliche Abenteuer. Erst ging es durch die Wüste Gobi, dann durch Kirgisistan, Usbekistan, Kasachstan, Iran und die Türkei. In Griechenland beschaffte ich mir eine Schaffneruniform und kam bis Frankfurt. Ich will niemanden mit Details langweilen. Wütende Yaks, wilde Bären, Giftschlangen, Immobilienhändler und Zeugen Jehovas. Es war das nackte Grauen.

2 Kommentare:

  1. ... Warst du im Gobi Mc Donalds? Den fand ich sehr schmutzig - Null Sterne.

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    1. Da war ich nur in diesem einen Dönerladen hinter Düne 57.

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