Es ist neun Uhr morgens und ich,
der Tapferste der Tapferen, sitze seit etwa einer Stunde an meinem Schreibtisch
im Eingangsbereich einer Tennishalle. Draußen vor dem Fenster steht ein
abgekämpfter älterer Herr im strahlenden Sonnenschein dieses Sonntagmorgens und
kippt eine Flasche Cola in seinen aufgeschwemmten Leib – die müde Karikatur
eines Fernsehwerbespots. Er kommt in die Halle und fragt mich in bestem
Landserdeutsch: "Und Sie halten hier die Stellung?" Ich antworte:
"Einer muss ja da sein." Bis heute Abend werde ich hier sitzen, denn
heute bin ich ein Pförtner, kein Taugenichts, sondern an diesem Tag eine
Respektsperson.
Meistens beschränken sich die
Dialoge auf die üblichen Grußformeln und ich tue das, was ich am besten kann:
nichts. In meinem Büro gibt es einen Computer, den ich nicht anfassen darf, und
Tennisschläger, deren Handhabung mir fremd ist. Vorhin, um 8:55 Uhr, hat mich
doch tatsächlich ein Mann gefragt, ob er schon auf den Platz dürfe. Die
Spielzeit beginnt jeweils zur vollen Stunde. In welchem Land ist so etwas
möglich? Und während sich die vorbeiziehenden Wolken in den blitzblank
gewaschenen Mittelklassewagen der Kundschaft spiegeln, steigt in mir die leise
Lust auf, in die Umkleidekabine zu gehen und einem dieser feinen Herren gepflegt
in die Sporttasche zu scheißen.
Später feiert eine italienische
Großfamilie in der Pizzeria im Stockwerk über mir die Kommunion eines kleinen
Mädchens. Es ist Mittagszeit, die Plätze leeren sich und die Kinder, die zur
Feier eingeladen sind, fragen mich, ob sie hier spielen dürfen. Ich gebe ihnen
alle Leihschläger und Bälle, die ich finden kann, und bald bevölkert eine bunte
kreischende Horde die gesamte Tennishalle. Das kleine Mädchen kommt in seinem
herrlichen weißen Seidenkleid in mein Büro und ich schenke ihr zwei Bälle.
Wegen des kostbaren Kleides kann sie nicht auf den Platz, also spielt sie mit
den Bällen im Flur. Ganz artig hat sie sich bedankt, ihr Lächeln gibt diesem
lausigen verkauften Tag erst einen Sinn. Überraschend taucht der Hallenbesitzer
auf. Er ist entsetzt über meine freimütige Vergabe von Schlägern im Wert von
über fünftausend Euro, wagt aber nicht, in dieses wunderbare Chaos
einzugreifen. Erst eine Woche später werde ich gefeuert.
Eine wirklich schöne Geschichte.
AntwortenLöschenDanke :o)
LöschenGreat. Thanx.
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