Man liest es jeden Tag. In
Deutschland fehlen Fachkräfte. Lehrer, Pflegekräfte, Handwerker. Selbst Kellner
oder Arzthelferinnen findet man nicht. Lehrstellen bleiben unbesetzt. Es gibt
keine Bewerber.
Der deutsche Stammtisch hat
einen „guten“ Rat. Wir haben Millionen Arbeitslose und Millionen unbesetzte
Stellen. Schickt die Arbeitslosen dorthin, wo Leute gebraucht werden, und
fertig ist die Laube. Leider ist es nicht so einfach.
Was ist eine Fachkraft? Ein
Mensch mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Nach drei Jahren Lehre im
Handwerk bekommt man den Gesellenbrief und darf sich Fachkraft nennen. Vorher
nicht. Lehrer, Ärzte oder Rechtsanwälte haben mindestens sechs Jahre studiert,
dazu kommen zwei Jahre im Referendariat, bei Ärzten kommt eventuell noch eine
Facharztausbildung dazu.
Auf dem Arbeitsamt wird man kaum
solche Fachkräfte finden. Warum? Weil Fachkräfte gesucht werden. Deswegen haben
wir ja Fachkräftemangel. Man kann nicht einfach einen arbeitslosen Busfahrer in
einen Handwerksbetrieb schicken und ihm sagen, ab jetzt würde er als Elektriker
arbeiten. Er würde beim ersten Herd, den er anschließt (Starkstrom), sein Leben
verlieren. Man kann eine arbeitslose Küchenhilfe nicht in ein Krankenhaus
schicken und ihr sagen, du bist jetzt Arzt, mach mal diese Herzoperation. Der
Patient würde es nicht überleben.
Arbeitslose sind
überdurchschnittlich häufig gering qualifiziert, viele haben überhaupt keinen
Schulabschluss oder eine abgeschlossene Berufsausbildung. Arbeitslose über
fünfzig finden meistens keinen Job mehr, weil die Betriebe keine älteren Leute
einstellen. Dazu kommen die Arbeitslosen mit Handicap. Der Fliesenleger, der
nach dreißig Jahren im Job zwei kaputte Knie hat und am Stock geht. Die
Krankenschwester mit einem Rückenschaden. Dazu kommen die Alkoholiker,
Drogenabhängige und Taugenichtse, die niemand mehr haben will. Klingt hart, ist
aber leider Realität. Sie sind nur eine Minderheit unter den 2,7 Millionen
Arbeitslosen, aber es gibt sie.
Dann müssen wir halt mehr Leute
qualifizieren, sagt der Stammtisch. Eine Umschulung ist wegen des Alters, Krankheit
oder fehlender Schulabschlüsse aber oft nicht möglich. Kein Handwerkermeister
gibt einem 55jährigen Kellner eine Lehrstelle. Dazu kommt, dass es keine jungen
Leute gibt, die man ausbilden könnte. Die Menschen, die man braucht, sind gar
nicht vorhanden. Die Jahrgänge, die aktuell ins arbeitsfähige Alter kommen,
sind nur halb so stark besetzt wie die Boomer-Jahrgänge meiner Generation. Für
zwei, die von uns gehen werden, kommt nur einer nach. Ein Beispiel aus meinem
Bekanntenkreis: Er (Einzelkind) hat eine Frau (Einzelkind) geheiratet und sie
haben zusammen – ein Einzelkind. Großelterngeneration: vier Personen,
Elterngeneration: zwei Personen, Kindergeneration: eine Person. So sieht es
überall in Deutschland aus. Deutsche Frauen bekommen im Durchschnitt 1,3 Kinder
im Leben, Männer können aus bekannten Gründen keine Kinder bekommen. Also fehlt
inzwischen überall Personal.
Woher sollen die Fachkräfte also
kommen? Aus dem Ausland, sagt der Stammtisch. Fachkräftemangel gibt es aber
auch in anderen europäischen Ländern. Warum sollte jemand aus Lyon und Mailand
nach Duisburg ziehen, um dort zu arbeiten? Er wird zuhause immer Arbeit finden.
Dort kann er die Sprache, dort sind seine Familie und seine Freunde. Tischler
aus Afghanistan, Zahnärzte aus der Mongolei? Kann man vergessen. Dazu kommt die
notorische Ausländerfeindlichkeit in Deutschland. Was viele Deutsche auch nicht
wahrhaben wollen: Wir leben hier nicht im Paradies. Marode Infrastruktur, heruntergekommene
Schulen, in denen wegen des Fachkräftemangels laufend der Unterricht ausfällt,
Nazis, die ausländische Fachkräfte anpöbeln, verschlafene Digitalisierung und
und und.
Der Fachkräftemangel bleibt uns für
die nächsten Jahrzehnte erhalten. Es gibt keine Lösung für dieses Problem. Wir
werden damit leben müssen, dass Wartezimmer und Schulklassen überfüllt bleiben
und wir Monate auf einen Termin beim Handwerker warten müssen.
... sehr knapp und hellsichtig analysiert.
AntwortenLöschenIch sehe leider keinen Politiker, der den Mut und den Charakter und den beruflichen Background hat dies auch einmal zu äußern — irgendwo muß doch jemand mit seiner politischen Karriere oder von derselben so die Schnauze voll haben, dass er sich mit solchen Worten aus der Politik (in die Rente) verabschiedet.
Gruß
Jens
Politiker inszenieren sich gerne als Problemlöser. Und dann wirbt die Baerbock in Brasilien eben um Pflegekräfte. Niemand fragt später, wie viele denn gekommen sind.
Löschen... nur gut, dass unsere Senioren ja alle Brasilianisches Portugisisch ab Klasse 3 in der Volksschule hatten.
AntwortenLöschenGruß
Jens
(Boa noite)
Obrigado :o)
LöschenFür mich scheint eher das Problem zu sein, dass Arbeit nicht mehr als was völlig normales gesehen wird, sondern als etwas wasTräume erfüllen muss. Die Medien sind voll von Helden die scheinbar ohne (Aus-)Bildung großes schaffen. Die unis sind voll mit Menschen die auf bestbezahlte bullshit Jobs hoffen. Und die, die sich die Mühe machen arbeiten zu gehen, werden mit unendlichen papier- und regelkram aus den Schreibstuben dieser Akademiker gequält.
AntwortenLöschenDie Leute vor Ort haben nicht mehr den Rücken krumm, sondern ertragen die Bürokratie nicht mehr.
Frag mal einen Krankenpfleger oder Erzieher wieviel Zeit der schriftkram in Anspruch nimmt.
Und wenn man dann feststellt, dass der bullshit job mit 3000 oder 4000 Euro nach Hause geht,, ist jede Freude am eigenen job weg.
Der fehlende Respekt vor Arbeit und die Bürokratiesierung jeder Tätigkeit machen es den jungen Menschen schwer. Lieber mochte man zu denen gehören die auf die anderen herab gucken können und von ihrem warmen Schreibtisch aus Haltung zeigen und den Menschen sagen was gut und böse ist.
Sehr gut geschrieben und aufgedröselt. Hier im Lande ist Einiges im Argen. Besonders auch das die Arbeitgeber jammern sie bekommen keine Fachkräfte, aber wenn du Berufserfahrung hast und damit älter als 50 bist, dann braucht man plötzlich keine Fachkraft mehr.
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