Dienstag, 5. September 2023

Im Land der Deutschen

 

Es gilt als letztes großes Abenteuer: eine Expedition nach Deutschland. Europas Herz der Finsternis. Joseph Conrad hätte seine Freude gehabt. Da die Straßen in diesem Land längst unpassierbar geworden sind, die Züge nicht mehr fahren und die Flughäfen verfallen sind, entschieden wir uns zu einer Reise über das Meer. Über die Möglichkeiten, sich in diesem Land mit Treibstoff zu versorgen, ist nichts bekannt, also charterten wir eine Dreimastbark.

Am frühen Morgen gingen wir in Dover an Bord und ließen die Segel setzen. Bei gutem Westwind brauchten wir nur drei Tage, bevor wir in der Elbmündung vor Anker gingen. Am nächsten Tag näherten wir uns der einstigen Hafenstadt Hamburg. Als die Menschen am Ufer uns sahen, stiegen sie in ihre Kanus und auf ihre Flöße und näherten sich unserem Schiff.

„Lasst keinen von diesen Wilden an Bord“, rief der Kapitän.  

Meine Fachkollegen und ich standen an der Reling und schauten auf die Deutschen hinab. Sie sprachen zu uns mit unverständlichen Lauten und boten uns ihre Waren an. Ein Mann hielt eine weiße Kugel in die Höhe.

„Kaufen Sie keine Nahrungsmittel“, riet uns der Kapitän. „Das sind Kartoffelklöße und sie stellen sie mit ihren bloßen Händen her.“

Ein anderer hatte ein paar schwarze Brocken in den schmutzigen Händen.

„Das ist Kohle“, erklärte der Kapitän, „damit heizen sie im Winter.“

Von einem Floß wurden uns handgeschnitzte Nussknacker und Kuckucksuhren angeboten.

„Der Tinnef taugt nichts. Wollen Sie hier wirklich an Land gehen?“

„Wenn es der Forschung dient“, seufzte ich.

Im Schutz von sechs Matrosen, die mit Donnerbüchsen und Polenböllern bewaffnet waren, gingen wir in St. Pauli an Land. Die Straßen boten ein trostloses Bild. Zerlumpte Kinder, die noch nicht einmal Schuhe hatten, bettelten uns an. Dirnen mit zerzaustem Haar, die vor Dreck starrten, boten ihre zweifelhaften Dienste an.

Wir gingen in einen Ausschank, wo apathische Männer stumm in ihre Bierhumpen schauten.

„Hier können wir es wagen, einen Schluck zu trinken“, sagte der Kapitän. „Seit der Wirt von seinem eigenen Schnaps blind geworden ist, scheint er den Dreh rauszuhaben.“

Wir hatten sicherheitshalber unsere eigenen Pappbecher dabei und ließen uns einschenken. Das Zeug schmeckte widerlich, geradezu brechreizerregend, brannte wie Feuer, aber es wärmte uns.

„Einer meiner Matrosen spricht etwas Deutsch. Wollen Sie den Wirt etwas fragen?“

„Ja“, sagte ich. „Fragen Sie ihn, wie diese Stadt heißt.“

Der Matrose fragte und übersetzte dann die Antwort: „Stadt“.

„Und wie heißt er?“

„Wirt.“

„Welches Jahr haben wir seiner Meinung nach?“

„Er kennt dieses Wort nicht.“

Ich kann Ihnen eine Reise ins Land der Deutschen nicht empfehlen. Ein langweiliges und völlig verblödetes Volk

 

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