Samstag, 21. Januar 2017
Eine Hippie-WG in den Siebzigern
Kinder, Kinder, das waren noch Zeiten. Da könnt Ihr Euch alle eine Scheibe abschneiden, die Ihr heute einen ökologischen Fußabdruck wie ein Elefant hinterlasst. Es waren die siebziger Jahre und ich trug die Haare schulterlang, rauchte Selbstgedrehte und hatte einen Schnurrbart wie jeder junge Mann. Ohne den Schnurrbart wurde man gar nicht in die Disco gelassen. Meine Vorbilder waren Che Guevara und John Travolta.
Damals kannte ich ein ausgeflipptes Pärchen, das auf dem Land lebte. Heute würde man solche Leute Aussteiger nennen, aber in meiner Jugend hat man nicht nach Begriffen gesucht, sondern einfach anders gelebt als die blöden Spießer. Dieses Pärchen lebte in einem kleinen Haus auf dem Land. Sie bauten ihr Gemüse selbst an und hatten ein paar Hühner, die sie mit Eiern versorgten. Fleisch gab es höchstens einmal die Woche, sie kochten jeden Tag selbst und gingen nie in Restaurants. Sie tranken Leitungswasser, das nicht in so einem Sprudeldingsbums aufbereitet wurde.
Sie hatten kein Auto, nur Fahrräder. Sie sind nie auf Reisen gegangen, noch nicht mal auf Hochzeitsreise. In ihrem ganzen Leben waren sie nie im Ausland, sie haben nie in einem Flugzeug gesessen. Gelegentlich haben sie Freunde und Verwandte besucht oder die Leute kamen zu ihnen. Dann gab es selbstgebackenen Kuchen.
Sie haben kaum Müll produziert, weil sie keinen abgepackten Kram oder Konserven gekauft haben. Was an Altpapier anfiel, kam in den Ofen und heizte die Küche. Das war der einzige Raum, der während der Woche geheizt wurde. Sonntags auch das Wohnzimmer. Wenn du bei diesen Leuten übernachtet hast, war es im Winter in den Schlafzimmern so unglaublich kalt – das glaubt Ihr jungen Leute gar nicht. Die Federbetten waren praktisch aus Eis und man hat sich eine Viertelstunde warmgezittert, bevor man überhaupt ans Einschlafen denken konnte.
Die Frau hat Löcher in den Strümpfen gestopft, anstatt die Strümpfe wegzuwerfen und neue zu kaufen. Alle Klamotten wurden so lange geflickt, wie es nur irgendwie ging. Der Mann hatte, neben seinen Arbeitsschuhen und seinen Hausschuhen, nur ein „gutes Paar“ Schuhe. Die wurden von einem Schuhmacher im Dorf gemacht und regelmäßig gepflegt. Wenn die Absätze abgelatscht waren oder die Sohle sich gelockert hatte, ging man zum gleichen Schuhmacher und ließ sich die Schuhe wieder reparieren. So hielten die Schuhe Jahrzehnte.
Die Möbel waren nicht aus irgendeinem Wegwerfmöbelhaus, sondern von Handwerkern aus solidem Holz gemacht. Sie waren schwer und gingen auch bei einem Umzug nicht kaputt. Solche Möbel bekam man vielleicht sogar vererbt und konnte sie weitervererben. Sie waren massiv und aus Nussbaum oder Kirsche. Ein guter Tisch kann nicht kaputt gehen. Den kauft man einmal und hat ihn dann sein ganzes Leben.
Wenn ein Nachbar, ein Freund oder ein Verwandter Hilfe brauchte, ging man eben hin. Man half sich bei Umzügen, Reparaturen im Haus, beim Kinderhüten oder beim Kartoffelschälen vor großen Feiern wie Geburtstag oder Hochzeit. Solche verrückten Freaks gibt es heute gar nicht mehr. Sie haben keine Mails geschrieben oder getwittert. Sie haben überhaupt wenig geschrieben, weil sie es nicht so gut konnten. Sie haben sich lieber mit den Leuten unterhalten.
Sie haben ihr ganzes Leben gearbeitet. Ein Maurer und eine Krankenschwester. Sie bekamen am Ende gut tausend D-Mark Rente im Monat. Zusammen. Aber sie haben deswegen nicht rumgejammert. Sie hatten kein Telefon, keinen Computer und kein Smartphone. Wenn man sie erreichen wollte, musste man bei den Nachbarn anrufen. Dann wurden von Haus zu Haus die Nachrichten durch die offenen Fenster herübergerufen. Das Radio in der Küche war oft an, der Fernseher im Wohnzimmer fast nie.
Wisst Ihr inzwischen, von wem ich spreche? Wer diese durchgeknallten Freaks in der Hippie-WG in den siebziger Jahren waren? Mein Großeltern. Die haben über Ökologie und Nachhaltigkeit nicht gequatscht, sie haben es gelebt. Schade, dass sie längst gestorben sind. Von diesen Leuten hätten die Grünen, die Linken und all die anderen selbstgefälligen Schwätzer einiges lernen können. Aber sie hätten vermutlich nicht zugehört.
Sade - No Ordinary Love. https://www.youtube.com/watch?v=_WcWHZc8s2I
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Konntest Du die angeschmuddelten Kochbücher, in die auch handschriftliche Rezepte mit eingelegt waren, herüber retten? z.B. jene Nusstorte, für die man 12 Eier benötigt? ;-)
AntwortenLöschenDa gab es kein Kochbuch.
LöschenBeim Lesen dachte ich auch schon, naja, wie meine Großeltern halt...
AntwortenLöschenGott, seid ihr alle jung!
AntwortenLöschenWo ist der Kiezneurotiker abgeblieben? Kein Platz mehr in der Blog-Liste? Zuwenig aktuelle Beiträge?
Der ist nicht mehr da. Leider hat er alles mitgenommen. :-(
LöschenSehr schade. Der Kollege hatte mir bereits vor zwei Wochen per Mail angekündigt, das Blog zu schließen. Es kam also, zumindest für die Konzernleitung von Bonetti Media Unlimited, nicht unerwartet. Ich hoffe, er nimmt demnächst unter einem neuen Namen einen weiteren Anlauf. Es wäre schön, auch weiterhin seine Stimme in Bloggerland zu hören. Vielleicht twittert er jetzt aber auch wie Trump? Hauptsache, er ist gesund und der Whisky schmeckt ihm.
LöschenDürfen wir hoffen, dass uns die Konzernleitung über einen weiteren Anlauf dieses wütenden, verletzten und zerissenen "Herrn Stevens" informieren wird?
LöschenDarüber kann ich aus dramaturgischen Gründen natürlich heute noch keine Auskunft geben.
LöschenNach diesem K.O.in der ersten Runde hab ich mich schon gefragt wie der KN jetzt noch weitermachen kann ohne das alles schal und leer klingt.
LöschenEine andere Antwort als - gar nicht - ist ihm auch nicht eingefallen.
Bonetti Media möge jetzt seine "Wort als Waffe" PhaserPhotonenkanone mit Alpha Order 3b bitte gegen die Mainstream Medien richten um auch diesen den garaus zu machen. Dann steht der Weltrevolution nichts mehr im Wege ... oder so.
Die Bestattungszeremonie für das KN-Blog war übrigens sehr schlicht. In bewährter Manier wurde es von der Firma Pietät-Malotzke in Neukölln übernommen. Die Asche wurde in eine leere Whisky-Flasche gefüllt und dann in der Altpapiertonne entsorgt.
LöschenDie Weltrevolution steht hier im Bonetti Tower auf der to-do-Liste. Termin: Eröffnungstag vom BER. Bitte vormerken und rote Fahnen mitbringen!
Ich mag Menschen die einfach machen und nicht nur verzweifelt versuchen darüber individuell zu wirken
AntwortenLöschenKenn ich alles. Wäre über den Test "Mein ökologischer Fussabdruck" insgesamt sehr positiv ausfallen.
AntwortenLöschenDamals war mein erstes Auto ein gebrauchter Fiat 600, für 600 DM. Mein aktuelles Fahrrad (Carbon, 7 Jahre alt, kostete 2.500 Euro, in DM..........ach lasen wir das lieber.)
Der obligatorische Schnäuzer mutierte bei einigen später -passend zum Fokuhila- zum Pornobalken.
Ich stopfe Strümpfe immer noch, wir haben aber auch gute Wollsocken, mit Hand gestrickt. Einkaufen gehen wir auf den Markt mit Einkaufsroller und waschbaren Stoffbeuteln, usw.
AntwortenLöschenVieles was die Großeltern machten, auch "Leben auf dem Land" mit Ziege und Schwein und Hühnern haben wir früher ähnlich praktiziert, nur Telefon hatten wir immer. Geflogen sind wir auch noch nie, weil es auf dem Landweg genug zu entdecken gibt...
Es macht uns Freude bewusst zu geniessen und uns nicht Werbung/Zeitgeist zu ergeben.
Hört sich nach einem guten Leben an :o)
Löschen*♥YEAH*
LöschenDie passende Musik ist natürlich diese: Pueblito Viejo - Soraya
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