Mittwoch, 18. Januar 2017

Vor vierzig Jahren: Mescalero

Kinder, Kinder, die Zeit rast und Grandpa Bonetti muss mal wieder eine Schote aus seiner Jugend erzählen. Jetzt nicht abschalten, young folks, nur weil im Dschungelcamp wieder Silikonbrüste und Botoxvisagen präsentiert werden.
1977 wurde ein Text legendär, den man heute als das Produkt eines anonymen Bloggers bezeichnen würde. Damals hatten gerade Terroristen – doch, doch, die gab es auch schon zu „meiner Zeit“ – den Generalbundesanwalt umgebracht, was natürlich auch in den siebziger Jahren bereits unter Strafe stand.
Der Autor bezeichnete sich als „Stadtindianer“ vom Stamme der Mescalero und empfand beim Tod von Siegfried Buback „klammheimliche Freude“. Seine Begründung: „Ich habe diesen Typ oft hetzen hören. Ich weiß, dass er bei der Verfolgung, Kriminalisierung, Folterung von Linken eine herausragende Rolle spielte.“
Zwar beinhaltete sein Pamphlet, das die Presse nicht abdrucken durfte, auch eine klare Absage an Gewalt - „Unser Weg zum Sozialismus (wegen mir: Anarchie) kann nicht mit Leichen gepflastert werden“ -, aber da war es schon zu spät. 1977 war heißer als 2017, das kann Euch Grandpa Bonetti versichern.
Zwei Jahre später, als sich der anonyme Autor nochmal über seine persönlichen Verhältnisse in „Konkret“ äußerte, sanken die Sympathien für diesen Mann ganz erheblich. Er war, wie er selbst schrieb, „während jener Zeit braver Insasse einer Schlafsiedlung, der niemandem unangenehm auffiel, war biederer Hundeliebhaber und Waldgänger, verzweifelter Schuldner vieler Gläubiger, Sammler und Händler von Trödel und Nippes, Skatspieler, Fernseher, durch und durch mitten drin und nicht alternativ, eingesessen und gut genährt und Mitglied eines politischen Männerstammtisches, der seine windigen Zelte an einer starken Neigung zur Trunksucht aufgeschlagen hatte.“
Weitere zwanzig Jahre später hat er sich sogar geoutet und sich schriftlich beim Sohn von Buback entschuldigt. Es war ein Deutschlehrer. So revolutionär war meine Jugend. Alles klar, Ihr Smartphone-Luschen! Wir haben für die Revolution gekämpft – Ihr wollt nur neue Saftschorlen mit coolen Namen!

5 Kommentare:

  1. Die revolutionäre Jugend von heute besitzt Waffen, von denen ihr alten Salonkommunisten nur träumen konntet: Hashtags!

    No Pasaran! #TeamAndrej #TeamGinaLisa #TeamHagebutte

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    1. Vor allem das letzte Hashtag: Strickliesl vs. Trump. Kampf der Giganten!

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  2. War der damals schon Deutschlehrer oder ist er es erst geworden? Wird mir aus deinem Satz nicht eindeutig und ich habe es nicht mehr auf dem Schirm. Ist arg lang her, dass ich darüber referieren musste.

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    1. Er war 1977 schon Deutschlehrer.

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    2. Ich habe total vergessen hier noch mal nach Antwort zu schauen. Danke für die Info. Wie gesagt, lange her... Ich habe zwar "Der zweite Tod meines Vaters" gelesen, aber das sind auch schon ein paar Jahre.

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