Samstag, 9. Juli 2016

Auf dem Kriegspfad

„Gröhlende Terrorpunker jagen weinende Polizisten durch die Straßen!" (Gerhard Seyfried: Flucht aus Berlin)
Möglicherweise waren Politiker vor einigen Jahrzehnten klüger. Haben mal über die Gesamtsituation nachgedacht. Über die ferne Zukunft, in zehn Jahren oder so. Vielleicht haben sie nicht wie Eidechsen auf das Wetter reagiert, sondern chillten beim Bier und kamen am späten Abend auf irgendeine Idee, die sie nicht von ihrem Chef, von Twitter oder den Abendnachrichten hatten. Keine Ahnung – vielleicht liege ich auch komplett falsch.
Jedenfalls hat man in Berlin den Stadtindianern, den Menschen, die keinerlei Bock auf Anpassung und Geschleime haben, ihren Freiraum gelassen. Die Stadtindianer, ob wir sie nun Hippies oder Gammler, 68er oder Studenten, Körnerfresser oder Friedensapostel, Anarchisten oder Sozialisten nennen, hatten immer ihren Platz in der Gesellschaft. Es waren nur Reservate, die ihnen großzügig zugewiesen wurden. Nicht viel, ein paar Kulturzentren, selbstbestimmte Projekte mit Senatszuschüssen, selbstverwaltete Häuser. Im Grunde genommen sogar sehr wenig. Aber man hat ihnen ihre Würde gelassen.
Der Berliner Senat, das sehen wir derzeit in der Rigaer Straße 94, das sahen wir in der Liebigstraße 14, wirft diese kluge Strategie der Befriedung der Stadtindianer über Bord. Und muss sich darum nicht wundern, dass die Indianer in diesem Sommer das Kriegsbeil ausgegraben haben und auf dem Kriegspfad sind. Frühere Regierungen in Berlin waren schlauer. Die doofen Flughafenbauer um Müller-Hohlschlumpf müssen es noch lernen.
In Berlin wird es immer Indianer geben, es ist das größte Indianerreservat der Republik. Wer sie vertreiben oder gar ausrotten will, sollte an General Custers Niederlage am Little Bighorn denken.
Und das sind die Fakten:
Sozialromantisch bewegte junge Menschen und ein ehemals besetztes Haus in Berlin („Autonome“), ein Briefkastenfirma auf den Virgin Islands als Besitzer der Immobilie, dessen Erdgeschoss - bisher eine illegale Kneipe der „Szene“ – vermietet werden soll („Heuschrecke“), ein CDU-Innensenator, der sich im aktuellen Wahlkampf als harter Hund profilieren möchte und Tausende von Polizisten in Bewegung setzt („Schweinesystem“), Medien, die nach EM und Brexit das Sommerloch fürchten und die Story begierig aufgreifen („Schreibknechte des Konzernkapitalismus“) – fertig ist die Mischung für einen heißen Juli in der Hauptstadt.
Joy Division – She’s Lost Control. https://www.youtube.com/watch?v=ZGMDBppWBOo
https://web.archive.org/web/20160709132059/https://linksunten.indymedia.org/de/node/184560

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