„Die Schrift ist unveränderlich und die Meinungen sind oft nur ein Ausdruck der Verzweiflung darüber.“ (Franz Kafka: Der Prozess)
Es war einer dieser lichtlosen Wintertage, als ich am frühen Morgen ins Büro kam. Die letzten Tage hatte ich auf einer Dienstreise in Osnabrück verbracht und ich wollte die Reisekostenabrechnung für die Buchhaltung fertig haben, bevor ich meinem Abteilungsleiter Bericht erstatten musste.
Ich blickte die dunkle Fassade empor und sah, dass im Büro nebenan schon Licht brannte. Das musste Korndörfer sein, mein Kollege. Als ich auf dem Flur stand, dachte ich mir, ich sollte doch mal kurz Hallo zu ihm sagen. Ich klopfte an seine Tür und öffnete, ohne eine Antwort abzuwarten.
Korndörfer saß im Halbdunkel an seinem Schreibtisch. Rund um seinen Computer das übliche Chaos. Das Licht war gar nicht an. Hatte ich mich getäuscht?
„Hallo, Sebastian“, begrüßte ich ihn. „Was machst du denn schon so früh im Büro?“
„Viel zu tun“, krächzte er mit schwacher, hohler Stimme.
„Geht mir auch so“, sagt ich mit einer Mischung aus Verständnis und Resignation. „Wie war deine Dienstreise?“
„Frag nicht“, sagte er leise und schüttelte den Kopf.
Ich ging in mein Büro und begann, Formulare auszufüllen und Quittungen zu sortieren. Kurz vor neun machte ich mich auf den Weg zum Chef und schaute noch mal bei Korndörfer rein.
„Ich geh zum Chef. Willst du auch gleich Bericht erstatten?“
Er schüttelte nur den Kopf.
Das Licht war jetzt etwas besser. Sein Gesicht wirkte grau und eingefallen, er sah aus wie eine Mumie.
„Geht’s dir gut?“ fragte ich besorgt.
„Sicher“, hauchte er kraftlos und beugte sich wieder über seine Papiere.
In der Mittagspause sah ich ihn nicht in der Kantine. Mölders berichtete mir gutgelaunt den Büroklatsch, den ich verpasst hatte.
„Korndörfer ist vor drei Tagen gestorben. Ganz überraschend. Der Chef sucht schon nach Ersatz.“
„Aber ich habe ihn doch vorhin noch gesehen“, antwortete ich überrascht.
„Da musst du dich getäuscht haben. Morgen ist die Beerdigung. Das Büro steht leer.“
„Bist du sicher?“ fragte ich ihn.
Alle am Tisch lachten. „Unser Frankyboy sieht schon Gespenster.“
Nach dem Essen ging ich wieder zu Korndörfer ins Büro.
Er schien sich in Schatten aufzulösen, ich erkannte kaum seine Gesichtszüge.
„Mensch, Sebastian“, sagte ich zu ihm. „In der Kantine erzählen sie üble Geschichten über dich.“
Er verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln. Jedenfalls glaubte ich das. Ich stand an der Tür und sah in die Finsternis dieser Grotte. Heute würde es nicht mehr hell werden, so viel stand fest. Erst jetzt bemerkte ich, dass Korndörfer seinen Computer nicht eingeschaltet hatte.
„Bis später“, sagte ich zum Abschied.
Ich hörte nur ein gruseliges Seufzen. Mir wurde kalt.
Am nächsten Tag waren wir alle auf seiner Beerdigung.
Baaba Maal & Mansour Seck - Muudo Hormo. https://www.youtube.com/watch?v=15LSAGdHOv8
Ein Kleinod !
AntwortenLöschenHabe es an alle wohlgesonnenen Kollegen weiter geschickt.
( Darf man wohlgesonnen noch schreiben ? Nach Littell ? )
Vielen Dank! Ich war ja auch viele Jahre Büroknecht ...
LöschenLittell ist so nen Scheiss, wie Musil und Ulüsses von dem doofen Irren. Kiezschrebbers Kurzgeschichte könnte auch aus nem Gespensterheftchen sein. Lass doch deenen Komputer besser ooch aus.
AntwortenLöschenJa ja....1400 Seiten sind für manch einen doch etwas zu viel.
AntwortenLöschenGell ?
Von der Intention ganz zu schweigen.