Mittwoch, 25. März 2015

Epiphanien, Teil 2

„Eines Tages wird alles gut sein, das ist unsere Hoffnung. Heute ist alles in Ordnung, das ist unsere Illusion.“ (Voltaire)
In den achtziger Jahren warb der bajuwarische Idealspießer und spätere Homo-Tote Walter Sedelmayr noch mit dem Spruch „Mein zweites Frühstück“ für Weizenbier. Das traut sich heute keiner mehr.
Wo sind die Männer geblieben, die am Samstagvormittag im Trainingsanzug ihr Auto vor dem Haus gewaschen haben? Ja, Sie da hinten aus Paderborn? Richtig: im Baumarkt.
Der scheinseriöse SPIEGEL zeigt inzwischen auf dem Cover die Bundeskanzlerin im Kreise verblichener Wehrmachtsoffiziere, die im Zweiten Weltkrieg vor der Akropolis posieren. Spitze, um nicht zu sagen „matterhornmäßig“ (Arno Schmidt)!
Die ewig mahnenden Endzeitgenossen dürfen gerne selbst in den Spiegel schauen. Wie sieht die von ihnen geschaffene Gegenwart aus? Im nachchristlichen Jahre 2015 erleben wir die Profanisierung des Erlösungsgedankens, die Erfüllung im Konsum, den Kauf als sinnfreie Triebhandlung, die infernalische Idiotie der Warenwelt. Das Ziel wird vom Jenseits ins Diesseits verlegt, von der Ewigkeit ins endlose Jetzt. Vulgärhedonismus und Eigenliebe als Religion der Ungläubigen. Weil Ruhe und Bedürfnislosigkeit offenbar nicht auszuhalten sind. Zufriedenheit ist nur ein flüchtiges Gefühl.
Nach Darwin überlebt derjenige, der am perfektesten an seine Umwelt angepasst ist. Schauen Sie sich mal im Kollegenkreis um!
Frankfurt ist nur eine kümmerliche Ansammlung von Dörfern, in deren Mitte ein paar glitzernde Banktürme errichtet wurden.
Der Staat beansprucht das Gewalt- und Herrschaftsmonopol und bietet im Gegenzug Sicherheit und Versorgung. Der Staat zerbricht, wenn seine Bürger sich nicht mehr sicher fühlen und die Versorgung nicht mehr gewährleistet ist (aktuelle Beispiele: Syrien, Irak, Jemen, Ukraine, Nigeria, Libyen, Venezuela usw.).
Der Kapitalismus ist nicht kalt, auf Weihnachtsmärkten können wir die Nestwärme der Bourgeoisie ganz deutlich spüren – und der Glühwein treibt dieses Gefühl bis in die Tiefen der Eingeweide hinab.
Warum ist der Skisport so beliebt? Weil man ungestraft betrunken schnell fahren kann. Geschwindigkeit und Alkohol potenzieren sich im Rausch gegenseitig. G + A = R².
Ich habe in Wilmersdorf einen Punk im perfekten Siebziger-Jahre-Outfit gesehen – der war mindestens 65 und hatte schütteres graues Haar. Du siehst einen Menschen und denkst „Verkäuferin“. Du siehst einen Menschen und denkst „Autofahrer“. Unser Verstand kann mit unseren Wahrnehmungen offenbar nicht viel anfangen. Wir sind zu schnell zufrieden. Ich werde die Geschichte des alten Punks nie erfahren.
Man stelle sich vor, auf dem Ku’damm blieben plötzlich zwanzig Menschen stehen, träten zueinander und sängen ein Lied. Wie lange würde es dauern, bis die Polizei käme?
Wir erkennen unseren Ursprung in der Natur nicht, so wenig wie ein Krokodil die eigene Mutter erkennt, wenn sie ihm begegnet.
Ich sollte eine Aufstellung machen: Stadtsorgen – Landsorgen.
Die Reklame ist über die heimtückischen und niederträchtigen Verführungskünste der allerersten Hure nie hinausgekommen. Das alte Geschäft mit der Sehnsucht, bei dem wir immer verlieren und doch nichts lernen. Auf dem Jahrmarkt habe ich als Kind immer eine „Wundertüte“ gekauft und jedes Mal war nur billiger Tand und Enttäuschung darin enthalten.
Du stehst mit deiner Axt zwischen den Bäumen und alles ist ganz still geworden.
Wir begreifen die Welt nicht, der wir uns anvertrauen. Wie Hunde in einem Fahrstuhl. Mechanismus und Fahrtrichtung werden uns ewig unbekannt bleiben.
März: Die Natur ist matt und farblos, nur die geschwätzigen Singvögel können den Sonnenaufgang kaum abwarten. Akustisch ist der Frühling schon da, optisch noch nicht.
Die drei Dinge, die ich nicht auf eine einsame Insel mitnehmen würde: Internet, Mobilfunk, Fernsehen.
Ich warte noch auf die Springer-Schlagzeile „Krieg kapituliert! Friede gewinnt Schlacht“.
Unter dem neuen Berliner Stadtschloss soll es ja auch eine U-Bahn-Station geben: mit Säulen, Statuen und Kronleuchtern, mit Sitzbänken aus weißem Marmor, riesigen Ölgemälden, Blumenvasen voll blühender Pracht und einem Pianisten. BVG – ick liebe dir.
Plötzlich zerbersten die Fensterscheiben mit ohrenbetäubendem Lärm und ein riesiger Drache mit roten Flügeln und einer entsetzlichen Horror-Hexen-Fratze tritt mit höhnischem Lachen an dein Bett – so ist der Tod und darum solltest du Angst vor ihm haben.
Ein Planet voller kohlenstoffbasierter Wichtigtuer.
Manchmal werde ich das Gefühl nicht los, dass Bildung einzig dem Zweck dient, eine möglichst gut bezahlte Anstellung zu bekommen.
„Berliner Knacker im Saitling“ lese ich auf der Verpackung. Was hätte aus mir nicht alles werden können …
Wenn es eine Hölle gibt, dann muss man sich dort bis in alle Ewigkeit seine Selfies und die Fotos von seinen Mahlzeiten anschauen.
Fortschritt: Vor zweihundert Jahren gab es noch keine Schaufenster. Vor hundert Jahren ist fast jeder zumindest gelegentlich an einem Schaufenster vorbeigekommen. Inzwischen ist jedes Wohnzimmer via Fernsehen und die ganze Welt via Smartphone und Social Media ein Schaufenster geworden.
Griechenland: Man darf gespannt sein, was passiert, wenn dieser vereiterte Blinddarm der EU endlich platzt.
Es gibt dicke Teppiche, die Geräusche schlucken. Und es gibt Bürokratien, die jede Wut einfach verschlucken können. Du trittst in eine Behörde wie die ARD oder BMW ein und kannst wie Rumpelstilzchen darauf herum trampeln – es passiert nichts. Du kannst dich über Deutschland oder Europa aufregen und den ganzen Tag rotieren. Nichts. Wie eine Wand aus Vanillepudding. Ist Ihnen mal aufgefallen, dass Vanillepudding sich als Farbe weltweit durchsetzt? In der Kanalisierung von Emotionen haben sich die Konzerne und Regierungen inzwischen perfektioniert.
Stichwort Organspende: Manche von uns sind im Tod wertvoller als im Leben.
Treibholz geht nicht unter.
The Veils – Guiding Light. https://www.youtube.com/watch?v=3XOAph57Y5Q

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