„Ihr seid die Zeit. Seid ihr gut, sind auch die Zeiten gut.“ (Augustinus Aurelius)
Im Rückblick wirkt die Geschichte immer logisch, stringent und alternativlos. Wie hätte es auch anders kommen können? Wir können uns die Möglichkeiten der Vergangenheit gar nicht mehr vorstellen. „Von den nordvietnamesischen Marxisten wird erzählt, sie hätten die Frage gestellt: Wenn die Fortsetzung des Fahrrads unter kapitalistischen Bedingungen das Auto ist, was ist die Fortsetzung des Fahrrads unter sozialistischen Bedingungen?“ (Negt/Kluge: Geschichte und Eigensinn, S. 874).
Wenn ich das Versprechen des Fortschritts, uns die Arbeit immer weiter zu erleichtern und die Effizienz der Produktionsprozesse permanent zu optimieren, richtig verstanden habe, dürften wir demnächst nichts mehr zu tun haben.
Henning Schlunz hatte eine leichte Neigung zu fettreichen Speisen und eine mehr als leichte Neigung zu Adipositas. Mit dem plumpen Hochmut und der gönnerhaften Vertraulichkeit eines neureichen Schweinebarons winkte er die junge Kellnerin zu sich heran. Mit hartem osteuropäischem Akzent fragte sie ihn nach seinen Wünschen. „Bring mir mal ‘ne schöne Molle“, antwortete er gut gelaunt. „Und die Speisekarte“. Frisch verdientem Geld haftet immer etwas Ordinäres und Vulgäres an.
“There was a beauty in the trash of the alleys which I had never noticed before; my vision seemed sharpened, rather than impaired. As I walked along it seemed to me that the flattened beer cans and papers and weeds and junk mail had been arranged by the wind into patterns; these patterns, when I scrutinized them, lay distributed so as to comprise a visual language. ” (Philip K. Dick, Radio Free Albemuth)
Mail eines befreundeten Redakteurs aus dem Jahre 2006: „Hab ich mal erzählt, dass sich im ZDF ein MAZ-Techniker mit den Starkstromkabeln einen elektrischen Stuhl gebaut hat? Und vom Intendanten-Hochhaus haben sich schon ich weiß nicht wie viele Leute runtergeworfen. Heute wurde mir mal wieder klar, weshalb: die Zulassung für meine nächste Doku (Klosterurlaub) haben erst 14 Leute aus 14 Abteilungen unterschrieben, das sind noch nicht alle, also weiterwarten auf grünes Licht. Verzweifelt, X“
Angebliche Weinkenner, deren Wissen sich aus den zweifelhaften Empfehlungen von Kellnern und den vollmundig gegebenen Versprechungen geschäftstüchtiger Winzer speist.
Wann fordert die Damenwelt endlich, den Begriff „Vetternwirtschaft“ durch „Cousinenwirtschaft“ zu ersetzen?
Unter den Herrschafts- und Eigentumsverhältnissen ist der Strand, hieß es einmal. Auch vorbei.
Man liest so oft, dass die Reichen immer reicher werden. Sollten wir sie deswegen beneiden? Sie müssen wie fette Spinnen ihre Beute bewachen und leben in der Hölle ihrer Eitelkeit. Keine Sekunde möchte ich zu den Reichen gehören. Für Luftschlösser zahlt man keine Grundsteuer.
8. März, Berlin. Kaiserwetter. Der Frühling ist ausgebrochen, alles sitzt draußen, die ganze Stadt räkelt sich behaglich in der Sonne wie eine Katze – und dann ist auch noch verkaufsoffener Sonntag. Bei Reichelt entdecke ich „Faust“ und „Schlappeseppel“, seltene fränkische Bierkostbarkeiten. Rührung befeuchtet meine Äugelein, als ich mich im Taumel meines unverhofften Glücks zur Kasse bewege.
Es heißt zwar immer „Häusermeer“, aber in Berlin bin ich doch eher in einem Häuserwald oder einem Häusergebirge, in Straßenschluchten oder in einer Höhlenlandschaft.
Der Bundestag hat die Frauenquote durchgewunken. Ich sehe schon die Stellenanzeige in der FAZ: „Großkonzern sucht Mösenbesitzerin zu Dekorationszwecken für gelegentliche Aufsichtsratssitzungen“. Wer sucht die Frauen aus? Die Männer. Auf diese Hundertschaft Geldweiber müssen wir nicht gespannt sein.
Ich mag Adjektive, obwohl vor ihrem übermäßigen Gebrauch immer gewarnt wird. Der Journalist soll auf Adjektive verzichten, um seinen Text kurz und prägnant zu machen. Der Schriftsteller soll auf Adjektive verzichten, weil er sie in Szenen und Dialogen auflösen soll. „Der geizige Mann“ ist nur eine kurze Formulierung und füllt noch nicht einmal eine halbe Zeile in einem Buch. Löst man das Eigenschaftswort „geizig“ aber in Szenen und Dialogen auf, in denen der Geiz der Person deutlich wird, hat man ganze Seiten gefüllt.
Mein Lieblingsbuchstabe ist übrigens E – zählen Sie ruhig mal nach!
Die Frage nach dem Sinn ist nur eine Phase, die man irgendwann hinter sich lässt, wenn alles gut läuft. Denn es gibt keine Antwort. Man kann die Frage auch in Millionen winziger Einzelfragen aufspalten, es wird nicht einfacher. Was ist der Sinn einer Amsel? Was ist der Sinn einer Gabel (wohlgemerkt: Sinn – nicht Zweck)? Was ist der Sinn eines Sandkorns oder einer Amöbe? Aus diesem Mosaik nicht zu beantwortender Fragen setzt sich ein Bild zusammen: das Nichts. Und damit beginnt die nächste Phase. Keine Fragen, keine Antworten. Stille. Tao. Nirwana.
Machen wir uns nichts vor: Unsere Texte sind nur Eintragungen ins Gästebuch. Die einen schreiben mehr, die anderen weniger, bevor sie wieder abreisen. Manche hinterlassen nur ihre Initialen auf dem Geländer eines Aussichtsturms im Harz. „Für uns alle wird die Nacht hereinbrechen“ (Fernando Pessoa).
“I don’t give a shit about life and death.” Letzte Worte von Sir Reginald Wardrobe (1841-1905)
Baaba Maal & Mansour Seck - Maacina Tooro. https://www.youtube.com/watch?v=ofkGIZktYHc
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