Sonntag, 25. Mai 2014

Multikulti in Schweppenhausen – historisch betrachtet

Es soll keiner sagen, in meinem Weindorf ginge es nicht multikulturell zu. Heute haben wir Polen, Türken (einer ist sogar als Matrose zur See gefahren und kann von den Puffs in Rio und Yokohama erzählen), Franzosen, Italiener und Jugoslawen aller Art – aber in der Vergangenheit ging es noch viel bunter zu. Denn nach den unvermeidlichen Steinzeit-Freaks und den Kelten kamen die Römer. Bekanntlich stammen sie aus Italien, haben uns die Weinrebe mitgebracht und in der Erde verbuddelt, auf das der Stoff, aus dem die Träume sind, auch überall wachse und gedeihe. Als die alten Römer völlig blau waren, wurden sie von den Franken aus dem Spiel gekegelt und ihr späterer Chef, Karl der Große, wird in diesem Jahr zu Ehren seines zwölfhundertsten Todestags mit Ausstellungen in Ingelheim und Aachen gewürdigt.
Schweppenhausen gehörte im „Alten Reich“, das erst Anfang des 19. Jahrhunderts von Napoleon aufgelöst wurde, zur Kurpfalz. Das drei Kilometer entfernte Nachbarstädtchen Stromberg war eines der zweiundzwanzig Oberämter der rheinischen Pfalzgrafschaft, die durch Zolleinnahmen am Rhein, einem der Haupttransportwege der damaligen Zeit, zu Reichtum und Macht gekommen war. Der Pfalzgraf war Kurfürst und gehörte damit zu den sieben Menschen, die tausend Jahre lang den deutschen Kaiser wählen durften. Er führte den Titel des Erztruchsess und war für Speis und Trank an der Tafel des Monarchen zuständig. Im Dreißigjährigen Krieg eroberten Spanier die Gegend, bevor sie von schwedischen Truppen vertrieben wurden. Die Schweden waren in dieser Gegend keineswegs unbekannt, da sie schon im Mittelalter plündernd den Rhein bis zur Nahemündung in Bingen hinauf gefahren waren. Aus Stromberg stammt übrigens auch der „deutsche Michel“, dessen Name noch heute satirische Verwendung findet.
Nachdem die Schweden abgezogen waren, kamen – ebenfalls noch im siebzehnten Jahrhundert – die Franzosen und zerstörten im Pfälzischen Erbfolgekrieg alles, was zufällig im vorherigen Krieg ganz geblieben war. Ende des achtzehnten Jahrhunderts besetzten die Franzosen wieder die Gegend und machten eine französische Provinz aus ihr. Kurze Zeit später zog Napoleon durch das Land, der bekanntlich seinen Krieg nach der Schlacht von Waterloo verlor. Die Preußen aus Berlin wurden die neuen Eigentümer und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren es erneut die Franzosen, die als Besatzungsmacht die Herrschaft über diesen Landstrich übernahmen. Gegenwärtig ist ganz Rheinland-Pfalz von den Amerikanern besetzt. Von Ramstein aus wird der weltweite US-Drohnenkrieg geführt und auf der anderen Rheinseite in Wiesbaden entsteht gerade eine NSA-Zentrale.
Die Schweppenhäuser haben alles ertragen, ohne durch leichtfertiges Reden ihren Kopf zu riskieren. Aber noch heute gibt es in den hiesigen Gasthöfen den Brauch, nach dem Anstoßen das Glas noch einmal kurz auf den Tisch zu setzen, als Zeichen, dass man frei sprechen könne. Erst wenn niemand von der Obrigkeit oder den fremden Besatzern zuhört, kann man seine Meinung offen sagen.
Zum Weiterlesen: http://www.tagesschau.de/inland/ramstein-drohnen100.html
P.S.: Hip-Hop meets Kraftwerk. Afrika Bambaataa mit “Planet Rock”. http://www.youtube.com/watch?v=hh1AypBaIEk

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