Sonntag, 22. Dezember 2024

Mach dein Glück in Osnabrück

 

Es war ein schöner Sommertag, als ich mit Lisa in unser neues Leben fuhr. Wir saßen in meinem alten Volvo, lächelten uns an und als „It’s A Fine Day“ von Opus III im Radio lief, summten wir gemeinsam die Melodie. Hinter uns fuhr der Möbelwagen mit unserer bescheidenen Habe. Wir zogen aus unserer kleinen Erdgeschosswohnung in der Innenstadt in ein Reihenhaus in einem Vorort. 24 Häuser säumten die Straße im Neubaugebiet „Vogelsang“. Ich hatte ein wenig Geld geerbt und so konnten wir uns die Anzahlung für das Haus leisten. Zwanzig Jahre würde ich die Hypothek abbezahlen müssen, aber ich machte mir keine Sorgen.

Dann betraten wir zum ersten Mal unser neues Zuhause. Wir hatten den Bauplan gründlich studiert und wussten genau, wie wir die Räume aufteilen wollten. Das Erdgeschoss bestand aus einem riesigen Raum mit einer offenen Küche, den wir als Wohn- und Esszimmer nutzen wollten. Dann gab es noch ein Gäste-WC, einen Heizungsraum, in dem Platz für unsere Waschmaschine und den Wäschetrockner sein würde. Am Ende des Flures war die Tür zum Garten, der noch wüst und leer war, den wir aber in den nächsten Wochen bepflanzen wollten. Lisa hatte schon ein paar gute Ideen. Im Obergeschoss gab es drei Zimmer und ein großes Bad. Wir hatten beschlossen, dass jeder von uns ein eigenes Zimmer bekommen sollte. Das dritte Zimmer, das nach Norden lag, würde unser Schlafzimmer sein.

Wir gaben den Möbelpackern Anweisungen, wie die Möbel zu verteilen waren, und schlenderten dann durch das Haus. Unsere Stimmten hallten in den leeren Räumen wie in einer Kathedrale. Im Schlafzimmer umarmten wir uns und küssten uns lange. Endlich konnten wir das Leben führen, von dem wir schon immer geträumt hatten.

Wer hätte ahnen können, dass ich zwei Jahre später meine Stelle als Programmierer verlieren würde?

Wer hätte ahnen können, dass ich meine Frau am selben Tag mit einem DHL-Fahrer im Bett erwischen würde, weil ich ungeplant schon um elf Uhr wieder zuhause war?

Wer hätte ahnen können, dass ich bei der Scheidung das Haus verlieren würde, aber aufgrund meines geringen Einkommens als Arbeitsloser wenigstens keine Alimente zahlen musste?

Wer hätte ahnen können, dass meine Ex-Frau im folgenden Jahr betrunken die Treppe herunterfallen und sich das Genick brechen würde?

Wer hätte ahnen können, dass ihr Bruder das Haus erben, die Hypothek abbezahlen und es mit einem fetten Gewinn weiterverkaufen würde?

Wer hätte ahnen können, dass ich als Busfahrer jeden Tag siebenmal an meiner alten Erdgeschosswohnung vorbeikommen würde?

5 Kommentare:

  1. Ich glaube es war 2001. Ich hätte das in Osnabrück haben können. Sonntags, am frühen Morgen bin ich aus ihrer Wohnung geschlichen. Dann in den ersten Zug nach Hamburg. Dort hat mich ein Freund abgeholt. Dann haben wir im Schanzenviertel gesoffen.

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    1. Eine Freundin erzählte mir heute, Osnabrück wäre in Rankings schon öfter die Stadt mit den glücklichsten Einwohnern gewesen. Ich war noch nie da, aber vielleicht hättest du dort dein Glück gemacht ...

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  2. ... Hauptsache gesund ...

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  3. Wenn er nicht in seine alte Erdgeschosswohnung zurückgezogen ist, wo wohnt der Busfahrer jetzt?
    dndp

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    1. Die Mieten sind gestiegen und ein Busfahrer verdient nicht so viel wie ein Programmierer. Die alte Wohnung ist natürlich längst neu vermietet.

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