Freitag, 28. Juni 2024

Die Vase

 

Er setzt sich zu ihr aufs Sofa.

Er: „Wie war dein Tag?“

Sie sieht ihn an. „Das fragst du doch sonst nicht. Ist irgendwas?“

Er: „Nein. Was soll sein?“

Sie: „Wenn du irgendwas angestellt hast, kriege ich es sowieso raus.“

Er: „Was soll ich denn angestellt haben?“

Sie: „Also?“

Er: „Na gut. Ich bin im Schlafzimmer an dieser tückischen Ecke der Kommode hängengeblieben.“

Sie: „Und?“

Er: „Die kleine Vase ist runtergefallen.“

Sie: „Kannst du sie reparieren?“

Er: „Sie ist in tausend Teile zersprungen.“

Sie: „Du weißt, dass ich sie auf unserer ersten Reise gekauft habe. Es ist ein Erinnerungsstück.“

Er: „Ja, damals in Rimini. 2009.“

Sie: „Es war in Florenz. 2010.“

Er: „Ist Rimini nicht der Strand von Florenz?“

Sie: „Nein.“

Er: „Ich hätte schwören können, dass hinter dem Dom das Meer liegt.“

Sie: „Nein.“

Er: „Ich kauf dir eine neue Vase. Wo geht man da hin? Gibt es ein Vasenfachgeschäft? Oder geht man ins Möbelhaus? Auf den Flohmarkt?“

Sie: „Diese Vase kann man hier nicht kaufen.“

Er: „Soll ich etwa nach Rimini fahren?“

Sie: „Es war nicht in Rimini.“

Er: „Ja, ich weiß. Es war in dieser Stadt gleich hinter Rimini.“

Sie: „Nein.“

Er: „In der Nähe von Rimini?“

Sie: „Nein.“

Er: „Gut. Es war weiter weg. Aber von dort konnte man Rimini noch sehen, oder?“

Sie „Lass es sein.“

Er: „Okay. Du hast drei Wünsche frei. Ich finde, das ist ein guter Tausch. Schließlich war es eine sehr kleine Vase.“

Sie: „Gut.“

Er: „Dein erster Wunsch?“

Sie: „Halt die Klappe.“

Er macht an seinem Mund die Reißverschlussgeste und hält zwei Finger hoch.

Sie: „Okay. Ich will als zweiten Wunsch, dass du mir mein Lieblingsessen kochst.“

Er sieht sich eine Weile schweigend im Wohnzimmer um.

Sie: „Du weißt es nicht, oder?“

Er: „Es gibt so was wie passives Wissen. Im Prinzip ist es da, aber gerade nicht präsent.“

Nach einer Weile: „Vielleicht ziehen wir deinen dritten Wunsch vor.“

Sie: „Vergiss es einfach.“

Er: „Ich brauche nur einen Buchstaben, dann fällt mir alles wieder ein.“

Sie: „F.“

Er: „Pfannkuchen?“

Sie rollt die Augen.

Er: „Frikadellen! Ich weiß, dass du Frikadellen magst. Ich könnte Burgerbrötchen und Ketchup holen und dann mache ich uns Hamburger. Den überflüssigen Mist wie Salat und Tomaten lasse ich weg.“

Sie schweigt.

Er: „Noch einen zweiten Buchstaben. Bitte.“

Sie: „I.“

Er: „Fisch, du meinst Fisch, oder? Seit wann isst du denn Fisch?“

Sie haut ihm ein Kissen ins Gesicht.

Er: „Du hast schon immer gerne Fisch gegessen. Jetzt fällt es mir wieder ein. Es gibt drei Sorten Fisch: Lachs, Thunfisch und Hering. Welchen möchtest du?“

Sie: „Schwertfisch.“

Er lacht.

Er: „Das hast du dir doch gerade ausgedacht. Heißt er so, weil er so scharf schmeckt? Den bekomme ich doch in keinem Supermarkt.“

Sie: „Aber im Fischgeschäft.“

Er: „Es gibt ein Geschäft, in dem man nur Fische kaufen kann? Von was leben diese Leute?“

Sie: „Du bist der größte Idiot, den ich je getroffen habe.“

Er: „Aber ich bin der Größte.“

 

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