Mittwoch, 10. November 2021

Meine erste Fahrt in einem Streifenwagen

 

Lesezeit: 2 Minuten, Schreibzeit: 20 Minuten

Ich war zehn Jahre alt, als ich das erste Mal auf der Rückbank eines Streifenwagens Platz nehmen durfte. Wer mich kennt, weiß wie unglaublich gefährlich ich aussehe. Eine Mischung aus Charles Bronson und Hermann Göring. Aber damals war ich ein netter kleiner Junge. Wie konnte das passieren?

Es war der letzte Schultag vor den Sommerferien. Ich hatte gerade das erste Jahr auf dem Gymnasium abgeschlossen und mein Zeugnis bekommen. Notenschnitt Zwokommanull. Keine Note schlechter als 3. Ich wusste damals nicht, dass es der Höhepunkt meiner Schullaufbahn war. Niemals habe ich ein besseres Zeugnis gehabt als im Sommer 1977.

Gerade war meine Lieblingsfußballmannschaft, Borussia Mönchengladbach, zum dritten Mal hintereinander deutscher Meister geworden. Ich wusste damals nicht, dass dieses Jahr der Höhepunkt meines Lebens als Fußballfan war. Die Fohlen haben danach nie wieder eine Meisterschaft gewonnen.

Ich weiß nicht, ob es die Euphorie über das gute Zeugnis in meinem Ranzen war oder die Abenteuerlust der in diesen Minuten beginnenden Sommerferien, aber als ich am Ingelheimer Bahnhof ankam, stand da dieser Bus. Über der großen Frontscheibe prangte das Wort „Stadecken“. Fälschlicherweise las ich „Stadtecken“ und dachte, es sei eine neue Buslinie, die alle Ecken der Stadt abfuhr. Also stieg ich ein. Schließlich wohnten wir am Stadtrand in einem Neubau, den die Firma Boehringer zusammen mit ein paar Dutzend anderer Mietshäuser in Ingelheim-West hochgezogen hatte.

Der Bus fuhr los, aber nicht in meine Richtung. Er fuhr nach Ober-Ingelheim ans andere Ende der Stadt. Aber vielleicht begann die Tour durch alle Stadtecken einfach nur hier? Ich machte mir noch keine Sorgen. Dann fuhren wir durch die Weinberge nach Groß-Winternheim. Gut, das war nicht mehr die Stadt, aber das Dorf gehörte zu Ingelheim. Dann fuhren wir weiter nach Schwabenheim. Das gehörte nicht mehr zu meiner Stadt. Jetzt dämmerte mir, dass ich eventuell einen Fehler gemacht haben könnte.

Hinter Schwabenheim kam Stadecken. Ein Dorf, das ich gar nicht kannte. Ich stieg aus. Alle anderen, die mit mir ausstiegen, gingen einem Ziel entgegen. Ich blieb unschlüssig stehen. Was sollte ich machen? Ich dachte eine Weile nach. Schließlich fasste ich den schweren Entschluss, zurück in die Stadt zu laufen. Zurückfahren ging nicht, denn meine Monatskarte galt nur für Ingelheim. Und Geld hatte ich nicht dabei. Aber in Rheinhessen liegen die Dörfer eng beieinander. In einer Stunde würde ich wieder in Ingelheim sein. Ich ging los.

Nach wenigen hundert Metern hielt ein Streifenwagen neben mir. Der Polizist am Steuer fragte mich, wo ich hinwollte. Ich erzählte ihm meine Geschichte. Er lachte und sagte mir, ich solle mich auf die Rückbank setzen. Damals waren viele Streifenwagen unterwegs. Es war 1977, das große Jahr der RAF. Zum Glück sah ich damals noch nicht so gefährlich aus wie heute. Er fuhr mich nach Hause. Als ich ausstieg, war ich ein wenig enttäuscht, dass niemand mich sah. Von der Polizei nach Hause gebracht! Natürlich habe ich die Geschichte nie meinen Eltern erzählt, die ein paar Stunden später von der Arbeit kamen.  

Soda Stereo - Prófugos (Gira Me Verás Volver) - YouTube

4 Kommentare:

  1. 1) Wenn die Polizei sagt Papiere bitte, und ich sage Schere hab ich dann gewonnen?


    2) "Oh, hallo, bin ich bei der Polizei?"

    "Nein. Ich bin bei der Polizei. Sie sind irgendwo da draußen und telefonieren."



    3)Ein Mann ruft bei der Polizei an: "Herr Wachtmeister, kommen Sie schnell, hier schlagen sich zwei Frauen um mich!"

    "Wo ist das Problem?"

    "Ich glaube, die Dicke gewinnt!"

    1 - 2 - 3... POLIZEI 🚔 😉 😁

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  2. .....meine erste und bisher einzige Fahrt auf dem Rücksitz in einem Streifenwagen war mit 1,1 Promille nach einer Verkehrskontrolle......6 Monate und 1000 Mark.....

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  3. Eine hübsche Geschichte.

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  4. Der Glumm schmückt Geschichten wo nix passiert viel liebevoller aus. Da strahlt behagliche Wärme aus der Langeweile der Handlung.
    Er ist quasi die Rosamunde Pilcher der frühkindlichen Autobiografie. Eines Tages ruft das ZDF bei ihm an. Er kommt zu Ruhm und das Hungern hat ein Ende.

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