Montag, 7. März 2016

IS und Irokesen

Was haben der IS und die Irokesen gemeinsam? Und warum ist Abu Bakr al-Baghdadi der Chingachgook des 21. Jahrhunderts?
Chingachgook ist bekanntlich ein Indianer aus James F. Coopers Roman „Der letzte Mohikaner“. Die Handlung spielt im Siebenjährigen Krieg zwischen Briten und Franzosen um die koloniale Vorherrschaft in Nordamerika Mitte des 18. Jahrhunderts. Beide Seiten haben Indianer als Verbündete. Die „guten“ Briten haben die tapferen Mohikaner in ihren Reihen, die „bösen“ Franzosen die fiesen Huronen. Mein Indianer ist gut, deiner ist böse. Nachdem man die Indianer nicht mehr brauchte, warf man sie fort wie ein gebrauchtes Taschentuch.
Dieser Umgang mit Nicht-Weißen bzw. Nicht-Christen gehört zum Gründungsmythos der Vereinigten Staaten. Bei der Unabhängigkeitserklärung von 1776 hatte niemand im Sinn, Indianer oder farbige Sklaven an der Demokratie teilhaben zu lassen. Und dieses Denkmuster hat sich in den Vereinigten Staaten bis heute gehalten.
Szenenwechsel. Wir schreiben das Jahr 1979, das Annus horribilis der USA. Nach dem verlorenen Vietnamkrieg haben die Streitkräfte der westlichen Supermacht nur noch einen einzigen Marinestützpunkt zwischen Neapel und Manila: Diego Garcia. Vermutlich haben Sie den Namen noch nie gehört. Diego Garcia ist nicht der Leadsänger von Grateful Dead – das war Jerry Garcia. Diego Garcia ist eine winzige Tropeninsel im Indischen Ozean, tausende Kilometer vom Festland entfernt. Die Atombomber der USA, die B-52s, können auf dem kurzen Asphaltband des Flughafens nicht starten und landen. Hier dümpeln sieben große Schiffe der amerikanischen Kriegsmarine in der brütenden Hitze. Sie haben genug Waffen, Treibstoff und Nahrungsmittel an Bord, um 12.000 Marineinfanteristen einen vierzehntägigen Kampfeinsatz in der Golfregion zu ermöglichen. Das ist alles.
Die Golfregion ist – damals wie heute – das Herz der Rohstoffversorgung der westlichen Welt. Ohne das Öl der Golfstaaten würden die Industrien und der Verkehr Europas und Japans zusammenbrechen, die USA würden in eine schwere Wirtschaftskrise geraten, die Hegemonie des westlichen Kapitalismus wäre akut gefährdet. Der gesamte Nachschub aus den Golfstaaten muss durch die 34 Kilometer breite Straße von Hormuz – die Meerenge ist so breit wie der Ärmelkanal zwischen Dover und Calais. Und dieser Versorgungsweg – der Schlüssel unseres Wohlstands in der westlichen Welt – ist akut gefährdet. 1971 hat die bis dahin herrschende Militärmacht Großbritannien ihre Truppen abgezogen, 1979 wird der durch einen CIA-Putsch installierte Schah von Persien gestürzt und durch ein islamistisches Regime ersetzt, das Amerika zum Feind erklärt. Die amerikanische Botschaft in Teheran wird besetzt, die Mitarbeiter werden als Geiseln genommen, deren Befreiung durch US-Streitkräfte kläglich scheitert.
Hinzu kommt der konservative Rollback, mit dem die wahabitischen Saudis auf den islamistischen Terroranschlag in Mekka mit 330 Toten reagieren und das Debakel in Afghanistan. Die CIA hatte seit Sommer 1979 die Mudschaheddin gegen die pro-sowjetische Regierung in Kabul unterstützt, die Russen reagieren mit ihrem Einmarsch in Afghanistan ein halbes Jahr später. Die Straße von Hormuz ist in Schlagdistanz der beiden größten Feinde der USA und des Westens: Iran und UdSSR. Das Golföl, die Schlagader des Kapitalismus, ist ungeschützt. Der wichtigste Verbündete Saudi-Arabien ist durch die Unruhen an den heiligen Stätten des Islam instabil geworden und verfügt über keine nennenswerten Streitkräfte. Die Russen haben die arabischen Staaten schon in den Kriegen gegen Israel mit Waffenlieferungen unterstützt und haben großen Einfluss in der Region.
Noch unter Präsident Carter wird daher im März 1980 eine schnelle Eingreiftruppe (Rapid Deployment Joint Task Force) geschaffen, die „Carter-Doktrin“ besagt: “because of its oil fields, the Persian Gulf area was of vital interest to the United States, and that any outside attempt to gain control in the area would be repelled by use of any means necessary, including military force." Zunächst wurde durch den US-Verbündeten Saddam Hussein ab September 1980 ein Stellvertreterkrieg gegen den Iran geführt, der allerdings 1988 verloren wurde.
Nach der Annexion Kuwaits durch den Irak konnten die Amerikaner direkt in der Golfregion einmarschieren und im Windschatten des Untergangs der Sowjetunion und ihrer Verbündeten Militärbasen auf der arabischen Halbinsel installieren. Aus dem guten Araber Saddam Hussein war ein böser Araber geworden. Der Rest ist bekannt: Der Angriff saudi-arabischer Terroristen auf die USA 2001 wird in der Folgezeit zum Vorwand genommen, um Afghanistan und den Irak zu besetzen und die militärische Vorherrschaft in der Region zu stabilisieren. Aus den guten Mudschaheddin wurden die bösen Taliban.
In Syrien hat sich das Spiel wiederholt. Mithilfe des Verbündeten Türkei hat man die „guten Indianer“ vom IS aufgebaut, um das schiitische Regime von Assad in einem Bürgerkrieg zu destabilisieren. Das ist gelungen, die Achse Moskau-Teheran-Damaskus-Beirut ist strategisch durchkreuzt. Jetzt sind die „Freiheitskämpfer“ plötzlich „Terroristen“ und werden von den USA bombardiert. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.
Und darum ist Abu Bakr al-Baghdadi der Chingachgook des 21. Jahrhunderts. Die Mohikaner sind bekanntlich ausgestorben. Und wir im Westen freuen uns über günstiges Öl, das uns die „guten“ Araber, die blutsaufenden Scheichs aus Riad, liefern.
In Death It Ends – Covet. https://www.youtube.com/watch?v=3LYedaZJVcc

2 Kommentare:

  1. /**Klugscheiß
    Assad ist Alevit.
    **/

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    1. Da bin ich deutlich der größere Klugscheißer :o)

      Der Assad-Clan gehört zu den Alawiten und die gehören wiederum zu den Schiiten. Drei Viertel der Syrer sind übrigens Sunniten. Aleviten leben hauptsächlich im kurdischen Teil der Türkei und werden gerne mit den arabischen Alawiten verwechselt. Wer von uns könnte auf Anhieb Calvinisten und Lutheraner voneinander unterscheiden? Oder die Judäische Volksfront von der Volksfront von Judäa?

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