Freitag, 4. März 2016

Birding - der neue heiße Scheiß

„Mit Kreationisten über Evolution zu diskutieren, ist wie Schach spielen mit einer Taube: Sie wirft die Spielfiguren um, kackt auf das Spielbrett und fliegt dann zurück zu ihrem Schwarm, um ihren Sieg zu feiern." (Scott D. Weitzenhoffer)
Es ist offenbar modern oder zumindest in Mode, über Kommunikation zu lamentieren. Überall lese ich, es gäbe keine Diskussionskultur mehr, nur noch Hass und Hetze, vor allem in den sozialen Medien, die irgendwie keiner mag und doch alle permanent nutzen. Kultur – das ist immer das, was die anderen nicht haben.
Jetzt habe ich einen großartigen Vorschlag. Halten Sie sich fest! Nein, das wird nicht reichen: Schnallen Sie sich an!! Aktivieren Sie den Airbag an Ihrem Schreibtisch!!! Ich habe die Lösung, die Rettung – und es ist so genial wie einfach:
Halten Sie schlicht und ergreifend mal für zehn Minuten das ungewaschene Maul. Ja, genau Sie, liebe Lesende.
Gehen Sie hinaus. Lassen Sie das Smartphone zu Hause. Auch die Brieftasche. Nehmen Sie nur den Hausschlüssel mit. Ich erspare mir die Ausrufezeichen, obwohl ich Imperative formuliere. Machen Sie es einfach. Und wenn Sie draußen sind, achten Sie mal auf die Kleinigkeiten. Nicht auf Ihre Karriere, Ihre Aktien, Ihre Gesundheit, die nächste Inspektion Ihres Autos oder Ihrer Zähne. Wo ist der nächste Singvogel? Hören und fühlen Sie den Wind? Wo ist die Sonne?
Ich selbst mache es ja viel zu selten. Das liegt an meinen Kernbehinderungen Faulheit, Alter und Übergewicht. Aber ich habe einen Trick: Direkt vor meinem Fenster habe ich Vogelfutter ausgestreut. Egal, ob es schneit oder nicht. Und so betrachte ich am Schreibtisch ganz entspannt die kleinen Racker. Die schüchternen Meisen nehmen immer nur einen Sonnenblumenkern und fliegen damit davon. Die Spatzen kommen in Banden. Die Amsel frisst sich genüsslich voll. Der dicke Dompfaff wirkt mit seinem wichtigtuerischen Gehabe tatsächlich, als wäre er ein Oberschichtvogel. Das elegante Rotkehlchen könnte auch eine Zahnarztgattin sein.
Ich beobachte sie nur wenige Minuten und werde wieder friedlich. Betrachten Sie die netten kleinen Vögel, lesen Sie weniger Nachrichten und beteiligen Sie sich bitte nicht an Online-Debatten. Der treffende Anglizismus ist übrigens „Birding“, Sie können auch „Birdwatching“ sagen.
P.S.: Falls ich Sie tatsächlich begeistert haben sollte, fahren Sie bitte in Ihrem nächsten Urlaub nach Estland. Der Nationalpark Vilsandi wurde – numerus est omen – genau an meinem Geburtstag gegründet, am 14. August (allerdings schon 1910). Dort können Sie birden, bis der Arzt kommt. Glaubwürdige Reiseberichte werden mit einem handsignierten Buchexemplar belohnt. „Komm runter, schau nach oben!“ (alter Birding-Spruch)
http://www.keskkonnaamet.ee/vilsandi-ger
P.P.S.: Für Fortgeschrittene gibt es das Aggressive Birding. Setzen Sie sich in einem Vogelkostüm auf einen Ast und pfeifen Sie unablässig. Es scheint allerdings illegal zu sein.
Almeda Riddle - I Love My Little Rooster. https://www.youtube.com/watch?v=MtbPk5NsEQA

4 Kommentare:

  1. Provinzornitologe4. März 2016 um 09:37

    Oder Pooftüte, vulgo Schlafsack und Isomatte mit und in der Natur gepennt.
    Und sich dann morgens zum Sonnenaufgang vom vielstimmigen, ja man muss fast schon sagen, Geschrei wecken lassen.
    Passiert jeden morgen, zuverlässig, überall da, wo es noch Bäume, Hecken, Wald und Wiesen gibt.

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  2. Eigentlich sind das zwei Punkte zuviel, aber ich will es dir mal durchgehen lassen :o)

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  3. Eher 2 Punkte zu wenig !
    Ich hatte Getränke und Rauchwaren vergessen.

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  4. Jetzt lassen wir ganz laaangsam in die mittlere untere Ecke kullern.

    https://www.youtube.com/watch?v=92dozCz6zyY

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