Sonntag, 24. August 2014

Bonettis Observatorium – Kaiserreich 3.0

Deutschland 2014: Es gibt eine Einheitspartei mit verschiedenen Geschmacksrichtungen (CDU, SPD usw.), die Bevölkerung wird apolitisch bzw. ihr politisches Interesse wird medial auf internationale Themen umgeleitet (dabei werden medial leicht verkäufliche Themen wie Krieg bevorzugt, weniger gerne werden sperrige Themen wie Ungleichheit, Umweltzerstörung oder Arbeitslosigkeit angeboten). Echte Opposition wird überwacht und verfolgt. Es herrschen die Dynastien des Geldadels, diese Eliten leben hermetisch von der Außenwelt abgeriegelt. Ein geschlossener Kreis, der keinen Eingang hat und keinen Ausweg bietet. Das Dienstpersonal wird aus der Unterschicht und den Einwanderern (gerne: weiße, christliche Osteuropäer; weniger gerne: Farbige, Moslems) rekrutiert. Migranten sind der nachwachsende Rohstoff der Dienstleistungsgesellschaft. Altersarmut trägt zur Aktivierung der Bevölkerung bei (lebenslanges Lernen und Arbeiten). Gesundheitsterror übt Anpassungsdruck auf Trinker, Raucher und Genießer aus, Fitness ist eine Gesinnung geworden. Anpassungs- und Leistungsfähigkeit sind die zentralen Kriterien zur Beurteilung eines Menschen. Medien dienen als Opium für das Volk. Ein subventionierter Kulturbetrieb existiert zur Zerstreuung und Bereicherung der Oberschicht (Oper, Theater – Kunsthandel) sowie als kontrolliertes Reservat für die wenigen Unangepassten (Maler, Lieferanten für Kunst am Bau usw.). Bildungsabschlüsse wie das Abitur werden inflationär verteilt, um sie wertlos zu machen. Aufstieg über Bildung wird unmöglich, wenn die Hälfte eines Jahrgangs studiert.
Im Gegensatz zu den beiden alten Kaiserreichen (800 bis 1806 und 1871 bis 1918) existiert keine klar erkennbare Hierarchie. Es herrscht eine unsichtbare und der Bevölkerung unbekannte Elite, die einer Revolte oder einem terroristischen Angriff kein Ziel mehr bietet. Herrschaft hat sich ins System, in Regeln, Gesetze und Abkommen verflüchtigt. Sichtbar ist nur ein bürokratischer Apparat, der seinerseits wiederum nur aus Millionen machtloser Individuen besteht. Was hält dieses Land überhaupt zusammen? Da ist zum einen die Notwendigkeit zur Selbsterhaltung durch Arbeit, die den größten Teil der Kraft und der Aufmerksamkeit absorbiert. Der Rest der Lebenszeit wird für die unglaublichen Konsummöglichkeiten, ständig neue Trends, den bunten Medienzirkus, die unerschöpfliche Vielfalt der Nahrungs- und Genussmittel, Computerspiele und anderen technischen Schnickschnack benötigt. Wer denkt schon über den Zusammenhalt der Gesellschaft nach? Dafür sorgt das System, in das wir hineingeboren werden und in dem wir uns eingerichtet haben. Für jedes Problem gibt es eine institutionalisierte Lösung. Nationen kennen wir nur noch von den Wettkämpfen professioneller Gladiatoren im Fernsehen. Wir sind wieder im Biedermeier.
The Verve - Bitter Sweet Symphony. http://www.youtube.com/watch?v=635Ygn_h2eQ

2 Kommentare:

  1. Buddy, ich kann dich nicht dauernd verlinken, weil ich kein Freund der Einseitigkeit bin. Außerdem denkt dann wirklich mal einer, wir schlafen zusammen. :)

    Deshalb so: Groß. Trifft. Genau so. Ganz toll. Ich will ein Kind von dir.

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  2. Buddarinho, uns beide verbindet mehr als Rock'n Roll, TexMexSex oder der Glaube, Verlinkung sei die Vorstufe von Erlösung. Anfang November bin ich zum dritten Mal in diesem Jahr in Berlin - wenn du dir auf einer Parkbank die versprochene Dose Jacky-Ginger abholen willst, gib mir unter "ebi41@gmx.net" bescheid!

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