Früher hieß es einmal: Wenn sich zwei Deutsche treffen, gründen sie einen Verein. Denn der Deutsche, insbesondere der Preuße liebt die Ordnung und legt gerne selbst mit Hand an. Alsbald blühen die Tages- und Geschäftsordnungen, über Weg und Ziel wird streng nach Protokoll debattiert. Das Protokoll landet in einem Aktenordner, für deren Ordnung wiederum Erste und Zweite Vorsitzende, Geschäftsführer und Kassenwarte sorgen dürfen. Es scheint tief im Wesen des Deutschen verankert, das Gewusel des echten Lebens um uns herum zu sortieren, zu katalogisieren, zu prüfen, zu bewerten und am Ende seinem pädagogischen Impetus freien Lauf zu lassen. Schließlich ist der deutsche Vereinsmeier nicht nur ein Ordnungshüter, sondern auch ein Lehrmeister. Er muss es doch wissen, er ist ja seit 25 Jahren in einem Verein. Der deutsche Vereinsmeier braucht seine Bezugsgruppe, denn er fühlt sich nur in der Gruppe stark. Aus dem Schutz der Meute kläfft er dann all die ahnungslosen Laien an, die gar nicht wissen, wovon sie reden. Sonst wären sie ja in einem Verein. Aus Sicht der Vereinsmeier ist der unorganisierte Bürger ein Wilder, ein noch zu zähmender Eingeborener, ein vorläufig noch verlorener, aber doch zu missionierender Vereinsloser.
Eine neuere Variante des teutonischen Vereinslebens ist die Bürgerinitiative: Alles bleibt beim alten, klingt aber modern und nicht so spießig wie Verein. Zur Sicherheit hat die Bürgerinitiative aber noch ein „e.V.“ hinten dran hängen. Wegen der Steuer und wegen der deutschen Gründlichkeit. Das haben wir schließlich schon immer so gemacht. Was den linksalternativen vom altpreußischen Verein unterscheidet, ist nicht die arrogante Eitelkeit der selbstverliebten Schwätzer, von denen er im Regelfall geleitet wird, oder die kleinkarierte Korinthenkackerei um Tagesordnungsänderungsanträge oder die politisch korrekte Rechtschreibung im Protokoll, sondern die Paranoia und die Schizophrenie, die ihn vom Gründungstag an begleitet. Der linksalternative Vereinsmeier gibt sich gerne staatskritisch und hält sich, vermutlich aufgrund der hochbrisanten Vereinsziele, für einen verkappten Guerillakämpfer, der eigentlich schon mit einem Bein im Untergrund steht. Kritiker seines Vereins sind daher logischerweise automatisch Bullenspitzel oder bezahlte Schergen des kapitalistischen Regimes, denen es mit Aggression und Misstrauen zu begegnen gilt. Statt nun aber diese Paranoia konsequent auszuleben und den verfluchten Ausbeuterstaat mit allen Mitteln zu bekämpfen, werden Steuerprivilegien und Fördermittel erbettelt. Der Staat soll gefälligst die Mittel zur Verfügung stellen, wenn nach alter Väter Sitte zur Jahreshauptversammlung der „Bürgerinitiative zum Sturz der imperialistischen Weltordnung“ ins Hinterzimmer eingeladen wird. In Deutschland gibt es sogar einen „Förderverein zur Erforschung des Messi-Syndroms e.V.“, also einen Verein der Organisationsunfähigen. Was wäre die Welt schließlich ohne den deutschen Verein, ohne die deutsche Ordnung und ohne den deutschen Gruppenzwang?
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