Montag, 19. Juli 2010

U černého vola

In den schwarzen Ochsen auf dem Prager Hradschin sollte man am Vormittag gehen, wenn nur die ernsthaften Trinker, alles schweigsame Herren jenseits der Vierzig, dort Platz genommen haben. Zur Mittageszeit fallen lärmende Touristen und schnatterndes Jungvolk in das winzige Gasthaus ein, es wird dann schnell ungemütlich. Zwar ist das Lokal leicht zu übersehen, aber es steht leider in jedem Reiseführer dieser Welt. Hier wird nicht einfach nur gesoffen, es ist vielmehr eine Choreographie des Trinkens, die sich dem aufmerksamen Betrachter offenbart: Nach einer Weile haben sich die Trinkrhythmen der einzelnen Gäste aufeinander eingespielt. Der Kellner, stoisch wie ein Leichenwagenfahrer, kommt in schöner Regelmäßigkeit durch den Gastraum gelaufen und nimmt stumm die Bierbestellungen entgegen. Wie Auktionsteilnehmer bei Sotheby's nicken die Trinker andeutungsweise oder sie schließen für einen Moment bedeutungsvoll die Augen. Der Kellner registriert, freilich ohne auch nur den Kopf in Richtung der Gäste zu wenden und mit geradezu schläfriger Selbstverständlichkeit, die Bestellungen und bestätigt sie mit einem kurzen Fingerzeig. Das alles wirkt so eingespielt, als säßen sie hier alle seit Anbeginn der Zeiten beisammen. Zu erwähnen ist, dass die Kneipe von einem Kollektiv geführt wird, die Preise äußerst human sind und der Gewinn an eine Blindenschule geht.

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