Sonntag, 20. Juli 2025

Zwanzig Jahre

 

Vor zwanzig Jahren, 2005, hatte ich beschlossen, meine Bemühungen um die Fortsetzung meiner wissenschaftlichen Laufbahn einzustellen und meinen alten Jugendtraum wahrzumachen. Ein Leben als Schriftsteller, frei von Hierarchien, Terminen und Verpflichtungen. Ich habe es bis heute nicht bereut.

Damals hatte ich noch ein gutes Netzwerk außerhalb der Wissenschaft. Ein Freundeskreis, auf den man sich verlassen konnte, während sich die ehemaligen Kollegen nie wieder bei mir gemeldet haben. Im Sommer rief mich ein FAZ-Redakteur an und fragte, ob ich mit seiner türkischen Ex-Freundin einen Karriereratgeber für Frauen schreiben könnte, der im FAZ-Verlag erscheinen sollte. Wir trafen uns mit der Verlagsleiterin in einem Restaurant unweit der Redaktion und verstanden uns auf Anhieb. Bald danach trudelte der Verlagsvertrag bei mir ein und wir begannen mit der Arbeit.

Im Herbst rief ein ZDF-Redakteur an, der bei Suhrkamp bereits fünf Bücher veröffentlicht hatte, und fragte, ob ich für eine neue Reihe Themenvorschläge einreichen könne. Ich schickte der zuständigen Lektorin eine Liste mit Persönlichkeiten aus Politik und Geschichte, über die ich als Politikwissenschaftler eine Biographie schreiben könnte. Bald darauf rief die Lektorin an und ich bekam den Auftrag, über Mahatma Ghandi zu arbeiten. Ich fuhr wieder nach Frankfurt, wir trafen uns zum Essen und ich unterschrieb den nächsten Vertrag.

Im FAZ-Verlag wechselte die Leitung und die Zusammenarbeit mit der neuen Chefin gestaltete sich als sehr mühselig. Ich beschloss, meiner Co-Autorin den Auftrag zu überlassen. Mal ehrlich: Sollte ich als arbeitsloser Mann einen Karriereratgeber für Frauen schreiben? Ich war froh, diese Brotarbeit los zu sein und mich meinem eigentlichen Metier, der Politik, zu widmen. Meine Co-Autorin bereut es bis heute, dieses Buch geschrieben zu haben und hat nie wieder etwas veröffentlicht. Sie arbeitet inzwischen als Redakteurin beim WDR.

2006 erschien die Ghandi-Biographie, 2009 mein erster Berlin-Krimi. Seither bin ich der karmischen Thermik gefolgt, schreibe jeden Tag und bin froh, dass ich andere Möglichkeiten, die ich hatte, nie genutzt habe. Selbst in den drei Jahren als Kiezschreiber im Wedding war ich nie länger als einen halben Tag pro Woche im Büro. Zwanzig Jahre Freiheit und Unabhängigkeit. Das ist unbezahlbar. Und es geht weiter, neuen Abenteuern entgegen - natürlich nur am Schreibtisch und auf dem Sofa.

Les Rita Mitsouko - C'est comme ça (Audio officiel)

7 Kommentare:

  1. Gut gemacht, bzw. gut nicht gemacht! Denn wer sich einigermaßen ekelfrei im Spiegel betrachten möchte - was ab einem gewissen Alter ja schon schwer genug ist -, der sollte wirklich keinen Karriereratgeber für Frauen geschrieben haben, und auch keinen für Männer oder für Menschen, die nicht so recht wissen, ob sie lieber Männlein oder Weiblein wären. Ausnahme: einen Karriereratgeber z.B. für die Titanic zu schreiben wäre immerhin vorstellbar.

    PS.
    Wegen Neugier, und wenns nicht zu persönlich ist an diesem Ort: Kannst du mir einen oder zwei deiner Krimititel empfehlen?

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    1. "Weißer Wedding" passt in deine Gegend.

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    2. Stimmt, das passt. Soeben beim Jeff bestellt. Und vielen Dank!

      PS.
      Aber Obacht: eine rasiermesserscharfe Rezension im Reich-Ranicki-Style folgt demnächft in dieser Kommentarfpalte.

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  2. Fred Chinchin, klasse Typ.
    ein Freund (18 Rue du Faubourg du Temple, da hing er oft rum)

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    1. Ich wusste gar nicht, dass er schon vor langer Zeit gestorben ist.

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  3. Schreibtisch. Sofa. Das hat doch keinen Stil ;)
    Ab sofort sehen wir Dich im Cafe Central , bei einem Einspänner, Marillenlikör, Gitanes und haufenweise Groupies.

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    1. Früher gab es ja nicht weit von meiner Wohnung das Romanische Café. Da hätte ich die Kollegen und die Schönheiten aus der Halbwelt treffen können.

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