Instinkt, das Wissen von Milliarden Jahren Evolution,
gespeichert in unseren Zellen. Und mein Instinkt sagte mir, dass dieser Typ
Ärger bedeutete. Ich wusste es, als ich seine nasskalte Hand schüttelte und in
seine geweiteten Pupillen sah. Glatze, Ziegenbart, Nasenpiercing, Halstattoo,
eine knallrote Lederjacke und Springerstiefel. Er war so unauffällig wie ein brennender
Rodeoclown in einem Nonnenkloster.
Ich ließ mir nichts anmerken und lächelte höflich, als mir Lukas Horvath
vorgestellt wurde. Angeblich Student, aber einhundertprozentig ein
drogenabhängiger Kleinganove. Ich kannte diesen Typ. Jung, stark, unsterblich.
Halten sich für Gewinner und was noch viel schlimmer war: Sie denken, sie wären
schlau. Schlauer als die anderen. Genau die Sorte von Klugscheißern, die
glauben, sie wären die Hauptdarsteller in einem Film, und die irgendwann im
Knast oder auf dem Friedhof landen werden. Mit zwanzig denkst du, jeden Tag ist
Party. Aber seine Party würde bald zu Ende sein. Er zog Ärger an wie ein
gottverdammter Magnet.
Ulrich
Greber arbeitete als Barista bei Starbucks. Wegen Corona war er ein halbes Jahr
auf Kurzarbeit gewesen und seine Freundin hatte ihn verlassen. Jetzt vermietete
er zwei von drei Zimmern seiner Wohnung. Ich war nur mit einer Sporttasche
voller Klamotten in die Stadt gekommen und hatte kein Geld für eine Pension
oder ein Hotel. Das Zimmer war möbliert und Uli stellte keine Fragen. Ich hätte
ihm sowieso nicht die Wahrheit sagen können.
In
Berlin suchte die Polizei nach mir. Ich konnte nicht zurück in meine Wohnung.
Der Überfall auf den Geldtransporter war gescheitert. Das kommt davon, wenn man
mit Idioten zusammenarbeitet. Idioten wie Lukas. Sie halten sich nicht an den
Plan, ballern wild durch die Gegend und werden anschließend von den Bullen
eingesammelt. In Moabit halten sie eine Woche das Maul, dann zwitschern sie wie
die Lerchen.
Zwei
Tage später verließ Lukas die Wohnung. Uli war arbeiten. Ich wartete zehn
Minuten, dann zog ich mir Handschuhe an und ging ins Zimmer von Lukas. Zunächst
fand ich nichts. Nicht unter dem Bett, nicht im Schrank und nicht in den
Schubladen des Schreibtischs. Dann zog ich mir einen Stuhl heran und sah auf
den Schrank. Ich fand eine Tasche mit einer Pistole, Munition, einer Sturmhaube
und einem Jagdmesser. Wann würde er einen Überfall machen, um die Drogen
bezahlen zu können? Es konnte nur eine Frage von Tagen sein. Er hatte die erste
Monatsmiete in bar bezahlt.
Ich
sollte recht behalten. Am nächsten Tag verließ ich das Haus. Ich musste mich
nach einer neuen Bleibe umsehen. Ich suchte mir auf Google Maps eine neue Stadt
und schaute mir auf einer Immobilienseite die WG-Angebote an. In kleineren
Städten findet man schneller ein Zimmer als in den Großstädten. Außerdem sind
die Zimmer in der Provinz bezahlbar. Meine Geldreserven schwanden, ich brauchte
dringend einen neuen Job. Und wenn es nur ein Wohnungseinbruch war. Ich verließ
das Internet-Café in der Altstadt und ging zurück.
Dann
hatte ich einfach Glück. Als ich in meine Straße einbog, standen zwei
Streifenwagen vor unserem Haus. Ich hörte Polizisten im ersten Stock brüllen.
Dort lag unsere WG. Ich ging einfach weiter. Sah mich nicht mehr um. Nach einer
Viertelstunde war ich am Bahnhof und stieg in den nächsten Zug, der mich aus
der Stadt bringen würde. Es kostet mich ein müdes Arschrunzeln, wieder
von vorne anzufangen. Es war nicht das erste Mal. Und sicher nicht das letzte
Mal.
Jaa, diese Typen gab es damals zuhauf, Kleindealer, immer die schönsten Frauen
AntwortenLöschen( neidisch ? Ja... )
vom damals noch sehr großzügigen Sozialsystem alimentiert, immer im Ausland, Indien, Nepal, Thailand, gutaussehend, immer die besten Sprüche drauf, allseits beliebt, jetzt von der Realität überrollt.
Harz oder irgend ein Scheißjob, immer noch die gleichen Klamotten an, so langsam richtig peinlich, Alkis, Wracks, aber immer noch geblendet von der eigenen Großartigkeit.
Man könnte denken, es gibt eine himmlische Gerechtigkeit, wobei, diese Typen haben einem ja eigentlich nie was getan.
Es gemahnt einen an die eigene Endlichkeit und wachsende Zerbrechlichkeit.
Gute Shortstory.
AntwortenLöschenPS.Arschrunzeln ist ein uncooles und dämliches Wort. Falls Sie es noch einmal verwenden sollten,ich stürme mit Perec und Beckett Ihre Bude.
Ich habe es in einem Buch aus den 90ern entdeckt und werde es jetzt regelmäßig einsetzen.
LöschenP.S.: Perec hatte einen uncoolen und dämlichen Bart.