Ich hatte es mir in dem alten schweren Ledersessel in der
Bibliothek bequem gemacht. Neben dem Sessel war ein kleines Tischchen mit einem
Bücherstapel. Schon das erste Buch hatte mich neugierig gemacht. Seit Tagen las
ich jeden Abend darin. Ich fühlte mich wie ein Hausherr, obwohl ich erst seit
einer Woche hier war. Die Villa gehörte Ulf Heidelmann, einem etwa siebzig Jahre alten Witwer,
der den Winter auf Gomera verbringen wollte. Ich sollte drei Monate das Haus
hüten.
Es lag
in den Bergen und Herr Heidelmann sagte mir, dass man gelegentlich den ganzen
Winter eingeschneit war. Aber es gab genügend Vorräte. Er zeigte mir zwei
riesige Tiefkühltruhen im Keller, dazu eine große Speisekammer mit Konserven,
Nudeln und Reis. Selbst der Weinkeller stand mir zur Verfügung. Ich freute mich
auf ein paar Monate Ruhe und Abgeschiedenheit. Ich stand kurz vor dem Abschluss
meines Anglistik-Studiums und wollte die Zeit nutzen, um meine Master-Arbeit
über die Gothic Novels im neunzehnten Jahrhundert zu schreiben.
Nachdem
Herr Heidelmann mir alles gezeigt hatte, auch die Heizanlage und die Waschküche
mit der Waschmaschine und dem Trockner, nahm er seinen Koffer und gab mir die
Hand.
„Um
eines möchte ich Sie noch bitten“, sagte er. „Sie dürfen alle Zimmer des Hauses
benutzen. Nur ein Zimmer im zweiten Stock, es ist die letzte Tür auf der
rechten Seite, dürfen Sie auf keinen Fall betreten. Versprechen Sie mir das?“
Ich
gab ihm mein Ehrenwort. Er verabschiedete sich und stieg in seinen Wagen. Ich
war allein.
In den
folgenden Tagen machte ich lange Spaziergänge durch den Tannenwald, der das
Haus umgab. Ich richtete in einem Zimmer im Erdgeschoss meinen Arbeitsplatz
ein. Die Internetverbindung war ausgezeichnet, die Abende verbrachte ich
entweder im Netz oder vor dem Fernseher. Das Haus war riesig. Ich schaute mir
alle Zimmer an. Es gab sicher ein halbes Dutzend Schlafzimmer und ebenso viele
Bäder. Aber ich wollte die Räume nicht alle nutzen, sonst hätte ich zu viel
Zeit mit Hausarbeit verschwendet. Das verbotene Zimmer betrat ich natürlich
nicht.
So
verging die erste Woche. Ich kam mit meiner Arbeit gut voran. Mittags kochte
ich mir etwas Leckeres. Es gab Dutzende von riesigen Steaks in den Kühltruhen,
ganze Schweinebraten und sogar ein paar Tüten Pommes frites. Es ging mir gut.
Aber ich musste immer wieder an dieses Zimmer denken. Warum durfte ich es auf
keinen Fall betreten? Welches Geheimnis barg es? Was hatte der alte Heidelmann
zu verbergen? Er war tausende Kilometer entfernt. Warum sollte ich nicht einmal
hinaufgehen und nachschauen?
Ich
stand lange vor der Tür und überlegte, ob ich sie öffnen sollte. Sicher war sie
abgeschlossen. Aber vielleicht war sie auch offen? Oder ein Schlüssel an meinem
riesigen Schlüsselbund passte ins Schloss. Ich lauschte an der Tür. Es war
nichts zu hören. Dann schaute ich durchs Schlüsselloch. Absolute Finsternis.
Kein Lichtstrahl erhellte den Raum. Ich legte die Hand auf die Türklinke. Mein
Herz schlug bis zum Hals.
Dann
drückte ich die Türklinke nach unten. Das Zimmer war nicht verschlossen.
Langsam öffnete ich die Tür. Das leise Quietschen klang unheimlich. Ich konnte
kaum etwas erkennen. Das Flurlicht war schummrig und keine große Hilfe, das
Geheimnis des verbotenen Zimmers zu lüften. Ich ging ein paar Schritte hinein.
Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Rechts von mir stand ein
Kleiderschrank, links von mir war ein Bett. Am geschlossenen Fenster stand ein
Schreibtisch. In einer Ecke stand ein Schaukelstuhl.
In diesem Schaukelstuhl saß ein Skelett, dass ein geblümtes
Kleid trug.
Ich drehte mich um und sah die Silhouette eines Mannes, der
in der Tür stand. Er hatte eine Axt in der Hand. Mein Herzschlag setzte für
einen Augenblick aus. Ich war unfähig, mich zu bewegen. Die Tote war seine
Frau. Er hatte sie ermordet. Jetzt stand er vor mir. Das war das Ende. Warum
war ich in dieses Zimmer gegangen? Warum hatte ich nicht einfach weitergelesen?
Nach ein paar Augenblicken oder einer Ewigkeit begann Herr
Heidelmann zu lachen. Er konnte gar nicht mehr aufhören. Er knipste das Licht
an und kam auf mich zu. Ich sah, dass die Axt aus Schaumgummi war. An der Decke
hingen lauter bunte Luftballons und an der Wand ein großes Plakat mit der
Aufschrift „ÜBERRASCHUNG“. Das Skelett war natürlich aus Plastik.
Wir gingen zusammen ins Wohnzimmer, wo Herr Heidelmann die
kleine, aber gut sortierte Bar öffnete. Er goss uns zwei Gläser Glenmorangie ein
und wir stießen zusammen an.
„Eine Woche“, sagte er. „Das ist sehr gut, Herr König. Die
meisten Housekeeper halten es nicht so lange aus.“
P.S.: Welches Buch hat der junge Mann gelesen?
Wham! - Everything She Wants (Luca Debonaire Omerta
Mix) - YouTube
PSYCHO
AntwortenLöschenvon Robert Bloch... 📖 🔪 ☝️
Wegen der Frauenleiche im Schaukelstuhl, stimmt's? Es ist aber ein anderes Buch gemeint.
LöschenAntal Szerb, Die Pendragon-Legende passt hier hin - wird es nicht gewesen sein, aber so kann ich es wenigstens dann doch mal empfehlen - danke.
AntwortenLöschenoblomow
Danke für den Tipp. Hab's mir gerade mal angeschaut und bestellt. Ich hoffe, die 4,36 € sind gut angelegt. Für Shining habe ich 4,14 € bezahlt. Gut, dass es Amazon gibt. Allein die Busfahrt zur nächsten Buchhandlung (Bad Kreuznach) hätte mich 9 € und viel Zeit gekostet.
Löschen2,63 € bei Medimops, die holen die Bücher nach Lektüre auch wieder ab.
LöschenIch habe da noch einen ungarn als tipp für dich und das gute daran ist, dass du nicht einmal amazon bemühen musst. Ich habe es doppelt - niegelnagelneu - und schicke es dir gerne zu, wenn du magst. Ich gehe mal davon aus, dass du bei Schweppenhausens zustellern so bekannt bist, dass dich die sendung auch ohne genaue anschrift erreicht, also nur unter Schweppenhausen. Das buch sollte dann noch vor weihnachten bei dir eintreffen. Der tipp:
LöschenErnö Szep, Die Liebe am Nachmittag (1935). Allein des titels wegen gekauft, war ich nicht enttäuscht und ich lasse mal zwei, drei zitate hier:
Wie alt ich bin? Zwanzig. Mit zwanzig bin ich sitzen geblieben und seitdem wiederhole ich.
Auch ein paar liebe Bekannte von mir haben sich ein Bäuchlein zugelegt, ich werde sie in diesem Leben nie mehr richtig umarmen können.
Auch sehe ich und registriere, dass dieser oder jener anfängt, langsamer zu schreiten. Obwohl er an sich gesund ist und auch nicht gerade übergewichtig. Wann, an welchem Tag ist ihm eingefallen dass er seine Schritte bedächtiger setzen muss? So, als wollte er erst etwas später auf dem Friedhof ankommen.
Ich hoffe, dass dir Szerbs Pendragon-Legende gefällt und vielleicht liest du dann auch noch Reise im Mondlicht: … auch das Paradies der Jugend war an der Realität gescheitert, mit der sie nicht gerechnet hatten und deren hauptsächliche Erscheinungsform das Geld ist.
oblomow
Das ist nett von dir, aber Beziehungsromane, Mann/Frau-Geschichten lese ich nicht mehr, seit ich selbst vor über zehn Jahren das Kapitel Frauen für mich abgeschlossen habe ;o)
LöschenSparbuch ?
AntwortenLöschenTelefonbuch?
LöschenShining
AntwortenLöschenRichtig! Wir haben einen Gewinner. Ich sage nur 217 ;o)
LöschenÜbrigens lese ich gerade das Buch. Mein erster Stephen-King-Roman. 1980 hab ich den Film im Kino gesehen.
LöschenIch würde sagen "Psycho Shining Teil 3: Das verbotene Zimmer".
AntwortenLöschenHerr Eberling, was macht gerade Ihr Housekeeper in Berlin? ;-)
In einer Ein-Zimmer-Wohnung gibt es kein verbotenes Zimmer ;o)
LöschenUnd zu keepen gibt es auch nix. Wer da einbricht, ist selbst schuld. Oder LP- und CD-Fan. Stereo-Anlage von 1984, Fernseher von 2008, Notebook von 2012 - dafür bekommst du beim Hehler einen Lutscher und einen Tritt in den Hintern :o)))
Das Buch heißt: " Der Mann mit der Schaumstoffaxt" von Monty Python
AntwortenLöschenHier ein Ausschnitt aus der Nachvertonung:
https://www.youtube.com/watch?v=tcvsA6oq8x8