Donnerstag, 1. April 2021

Der fabelhafte Friseur

 

Bonetti schlenderte durch den Tiergarten. Die Sonne schien und er warf einen wohlwollenden Blick auf die blühenden Landschaften der Hauptstadt. Friedlich glitzerte der Landwehrkanal und das glucksende Lachen eines Kleinkinds erfreute sein Ohr.

Da sah er seinen alten Freund Silbermann, der auf einer Parkbank in seine Zeitung vertieft war. Bonetti ging auf ihn zu.

„Menschenskind, Frank. Schön, dich zu treffen.“

„Andy. Was für eine Überraschung. Willst du dich nicht einen Augenblick setzen?“

Und so plauderten sie eine Weile über alte Zeiten, bis sie ihre Aufmerksamkeit der aktuellen Lage zuwandten. Silbermann hatte eine gutgehende Konditorei in Zehlendorf, Frau und Kind waren wohlauf.

„Wie steht es mit der Literatur, Bonetti?“

„Die Verkaufszahlen sind in Ordnung. Aber mir fehlt die Anerkennung. Den Nobelpreis habe ich mir schon abgeschminkt. Aber wenigstens der Büchner-Preis sollte es schon sein.“

„Nichts leichter als das. Hast du eine Stunde Zeit?“

„Sicher“, antwortete Bonetti verblüfft. „Aber ich verstehe nicht, wie ich in der nächsten Stunde einem Literaturpreis näherkommen sollte.“

„Du brauchst einen neuen Haarschnitt“, sagte Silbermann und lachte, während er seine Zeitung zusammenfaltete.

***

Kurze Zeit später standen sie vor dem Salon Melanie im Hansaviertel. Er lag in einer kleinen Seitenstraße, in der nur wenige Passanten unterwegs waren. Silbermann hatte Bonetti eingeschärft, dem Friseur von seinem Wunsch zu erzählen. Er würde Gott und die Welt kennen, in seinem Salon gehe die Prominenz ein und aus.

Bonetti konnte es gar nicht glauben. Das Schaufenster wirkte auf ihn, als sei es in den siebziger Jahren zuletzt dekoriert worden. Gab es überhaupt noch Pomade? Der Salon selbst war ein schmaler, dunkler Schlauch mit zwei Stühlen, im Hintergrund stand ein Schrank und hinter einem Vorhang war vermutlich ein weiterer Raum.

Silbermann stellte sie einander vor. „Guten Tag, Herr Weber. Das ist Herr Bonetti. Er ist Schriftsteller und braucht Ihren Beistand in Sachen Frisur und Literatur.“

Herr Weber verbeugte sich mit einem Lächeln. Er war klein und schlank, trug einen langen Kittel und hatte ölig glänzendes, schwarzes Haar. „Nehmen Sie bitte Platz.“

Bonetti setzte sich, bekam eine Halskrause aus Krepp und einen Umhang umgelegt, und sagte: „Bitte an den Seiten und hinten etwas kürzer.“

Herr Weber nickte und begann sein Werk. Sie plauderten ein wenig über Bücher und Bonetti erzählte ihm von seiner erfolgreichen Western-Reihe „Ricky Laredo“. Nach etwa fünf Minuten wurde der Vorhang zur Seite gezogen und eine Frau um die vierzig erschien. Vermutlich Melanie Weber.

„Der Verkehrsminister ist am Telefon.“

„Dieser Taugenichts?“ rief der Friseur verärgert. „Ich habe ihm doch schon im letzten Jahr beim Flughafen geholfen. Sag ihm, er soll in einer halben Stunde nochmal anrufen. Ich bin beschäftigt.“

Weber vertiefte sich wieder in seine Arbeit. „Wissen Sie, Herr Bonetti, als Friseur erzählen einem die Menschen, was sie denken. Es ist ganz einfach. Sie wollen eine kompetente Regierung. Das Parteibuch ist egal. Es sollen Leute an der Macht sein, die ihr Handwerk verstehen.“

„Natürlich“, pflichtete Bonetti ihm bei.

„Im Grunde genommen wollen die Leute ihre Ruhe haben“, fuhr der Friseur fort. „Wenn sie nichts von der Politik hören müssen und in Ruhe ihren Geschäften nachgehen können, wenn sie am Abend ihr Glas Wein und am Sonntag ihren Schweinebraten genießen können, ist die Welt für sie ihn Ordnung.“

Wieder erschien Frau Weber im Salon. „Es ist der Gesundheitsminister. Er sagt, es sei dringend.“

„Wieso belästigen mich diese Leute während der Arbeitszeit? Ist es nicht genug, wenn ich mich nach Feierabend mit ihnen zusammensetze und ihnen alles erkläre? Hat er diese alberne Pandemie denn immer noch nicht im Griff? Soll ich, neben meinem Salon, die ganze Regierungsarbeit allein machen? Und die Unternehmer liegen mir mit ihren Problemen auch ständig in den Ohren. Sag ihm, er soll heute Abend um acht Uhr zu uns in die Wohnung kommen. Die Kundschaft geht vor.“

„Sie sind ein gefragter Mann, Herr Weber“, sagte Bonetti. „Vielleicht darf Sie für einen kurzen Moment mit meinen belanglosen, kleinen Sorgen belästigen?“

„Nur zu, Herr Bonetti“, antwortete der Friseur und lächelte vergnügt. „Wie kann ich ihnen helfen?“

Also erzählte ihm Bonetti von seinem Wunsch, den Büchner-Preis verliehen zu bekommen. Oder eine andere Auszeichnung, die ihn als Homme des Lettres ausreichend würdigen könnte.

„Der Büchner-Preis.“ Weber überlegte eine Weile. „Den vergibt die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Zufällig ist der Präsident ein Kunde von mir. Ich werde Herrn Osterkamp mal anrufen. Betrachten Sie die Sache als erledigt.“

„Vielen Dank, Herr Weber.“ Bonetti war sichtlich bewegt. „Wie kann ich mich Ihnen gegenüber jemals erkenntlich zeigen?“

Aber der Friseur winkte nur ab. „Nicht der Rede wert.“ Er holte einen runden Spiegel und fragte: „Ist der Haarschnitt so recht, mein Herr?“

In guter Stimmung verließ Bonetti mit seinem Freund Silbermann den Friseursalon. Gerade als sie die Tür öffneten, kam ihnen Angela Merkel entgegen. Die Kanzlerin wirkte müde und besorgt, als sie Herrn Weber begrüßte.

***

Hier der neueste Hit aus den Hunsrücker Charts. Ich gebe zu, dass unser Dialekt manchmal etwas schwer zu verstehen ist. Es geht in dem Lied um einen Schafhirten, der sich in eine Krankenschwester aus Simmern verliebt hat: Trio Mandili - Kakhuri - YouTube

P.S.: Ich verabschiede mich in die Osterpause und wünsche Ihnen, liebe Lesende, schöne Feiertage. Im nächsten Blogpost geht es um meine Reiseimpressionen aus dem Mallorca-Urlaub im Waldorf Astoria Villariba.

 

3 Kommentare:

  1. Hoffentlich ist ... MALLE ... ein APRIL - SCHERZ !!! *augenroll*

    „Hei, juchhei! Kommt herbei!
    Suchen wir das Osterei.
    Immerfort, hier und dort
    und an jedem Ort.
    Ist es noch so gut versteckt
    endlich wird es doch entdeckt.
    Hier ein Ei, dort ein Ei,
    bald sind’s zwei und drei!“

    (August Heinrich Hoffmann von Fallersleben)

    Herzlichste Osterfeiertags-Grüße ... und bleibe hübsch unanständig - wünscht - Annette *♥zwinker*

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    1. Dir kann man aber auch nix vormachen. Natürlich ist das Hotel in Villabajo ;o)

      Schöne Feiertage, Engelchen!

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    2. Dann ist ja alles OK,
      gute Reise und grüße mir den Nachbarsort,
      und das SPÜLEN nicht vergessen ;D

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