Unser
Summer of Love war irgendwann in den siebziger Jahren. Die Luft vibrierte.
Nachts trieben wir uns gerne am Bahnhof herum und saßen im fahlen Licht einer
Laterne auf einer Bank. Drei Jungs, drei Mädchen. Wir Jungs saßen am liebsten
auf der Lehne der Bank, weil das cool aussah. Manchmal saßen wir auch vor der
Post, die längst abgerissen ist. Eine niedrige Mauer, dahinter ein Stück Rasen,
auf das man sich legen konnte.
Christian
war der Intellektuelle. Er hatte Jack Kerouac gelesen. Zumindest sagte er das.
Ein schmächtiger, unscheinbarer Bursche. Dann Uwe. Der Revoluzzer. Man durfte
ihn nicht fotografieren, damit die Polizei keine Fahndungsfotos hätte. Ein
blonder Strahlemann, der geborene Anführer. Und ich. Undefiniert. Ich las gerne
MAD und war im Fußballverein.
Kerstin
war ein kleines, schüchternes Mädchen. Wir hatten uns mal geküsst, als wir
allein waren. Sie hatte einen tollen Mund. Volle Lippen und schöne Zähne wie
aus der Werbung. Aber wenn wir mit den anderen zusammen waren, ließen wir uns
natürlich nichts anmerken. Dann Anke mit den hautengen Jeans. Als ich ihr im
Klassenzimmer mal ein Stück Kreide auf den Hintern geworfen habe, gab es eine
Art Überschallknall. Der Inbegriff von Knackarsch.
Petra
hatte als einzige von den drei Mädchen einen sichtbaren Busen. Sie war üppig
gebaut. Sie wohnte im selben Stadtteil wie ich. Als wir mal nachts zusammen
nach Hause gegangen sind, habe ich eine Weile ihre Hand gehalten und sie hat es
zugelassen. Beinahe hätte ich ihr einen dieser sagenumwobenen Zettel mit dem
berühmten Text „Willst du mit mir gehen? Ja – Nein – Vielleicht“ geschrieben,
habe es aber zum Glück gelassen. Die Jungs erzählten sich, dass noch nie ein
Mädchen Ja angekreuzt hat, aber mit Vielleicht wäre man praktisch am Ziel.
Eigentlich
war ich in alle drei verknallt. Aber nur ein bisschen. Außerdem war ich ohnehin
zu schüchtern. Bis zu meiner ersten richtigen Freundin sollten noch Jahre
vergehen, aber das wusste ich damals noch nicht.
Hexennacht.
Wir hatten ein paar Flaschen Wein in einer Aldi-Tüte dabei. Die Bahnhofsgegend
war völlig verlassen. Der letzte Zug war durchgefahren, die Kneipe längst zu. Wir
kletterten über den Gitterzaun und setzten uns auf die Bank am Gleis 1.
Christian erzählte, wohin er später mal reisen würde. Mit dem Auto quer durch
Amerika. Und Australien. Uwe erzählte was vom Untergrund. Er wollte nach
Berlin. In Kreuzberg würde man die richtigen Leute treffen. Die Weinflasche
kreiste. Wir Jungs rauchten wie echte Kerle.
„Was
machen Sie da?“ Die dunkle Stimme eines älteren Mannes durchschnitt die Nacht.
Wir konnten ihn erst nicht sehen, denn er stand im Dunkeln vor dem
Bahnhofsgebäude.
„Geht
dich einen Scheiß an“, rief Uwe.
„Verschwinden
Sie! Aber sofort!“ Der Mann klang ziemlich wütend.
„Ruf
doch die Bullen“, antwortete Uwe.
Wir
rannten zum Gitterzaun und Christian kletterte schon hinüber, als ich sah, dass
in der Mitte eine Tür war. Ich drückte die Klinke runter. Sie war tatsächlich
offen. Wir gingen zur Post und legten uns auf den Rasen. Heiliger Scheißdreck! Wir lachten und
fühlten uns großartig.
Elise
LeGrow - Who Do You Love. https://www.youtube.com/watch?v=4BYzRmiBwRE
"Früher war alles besser!"
AntwortenLöschenAber mal ehrlich, ich persönlich empfinde es als großes Glück nicht mit Handy, Smartphone, Computer u.dgl. aufgewachsen zu sein.
Fred
... UNTERSCHREIB !!!
Löschen"Ich las gerne Mad und war im Fußballverein." Kommt mir bekannt vor. Und der Knackarschkreideknall.
AntwortenLöschenWir haben noch wochenlang von diesem Knall gesprochen wie von einer Marienerscheinung. Wunderwelt Knackarsch.
LöschenVor zehn Jahren habe ich sie mal wieder getroffen. Abendessen bei einem gemeinsamen Freund. Zwischendurch war sie mit einem Amerikaner verheiratet, lebte in den USA, ist Mutter geworden und nach der Scheidung wieder in der alten Heimat.
Hüte Dich vor Knackarschfrauen
Löschenund Autos, die die Russen bauen.
Die wichtigste Frage ist doch: Wie ist ihr Arsch heute?
LöschenMann, mann, mann Bonetti, wo bleibt denn die Recherche?
Das wüsstest du wohl gerne. Ich weiß es. Knick Knack ;o)
LöschenDie Kinder in den Grunschulklassen können nicht mal mehr richtig rennen.
AntwortenLöschenWir mußten damals, mit 7-10 Jahren, ständig irgendwie vor den Erwachsenen flüchten, weil wir ständig irgend einen Scheiß gebaut haben. Da hieß es rennen, sei es auch nur aus einer unerfindlichen Furcht vor irgend einem auftauchenden Erwachsenen.
Weil Erwachsene, wildfremde Menschen, waren durchaus in der Lage, kurz mal ein paar Schellen zu verteilen oder andere Erziehungsmaßnahmen durzuführen. Im Einverständniss der Eltern. So etwas würde heute auf einen Zivilrechtsprozess herauslaufen.
Daher sind wir gerannt bis uns die Lunge herauskam. Durch die Gassen und über die Felder.
Herrlich.
Die Freiheit war größer, aber auch die Gefahr. Bei schlechtem Wetter hatten wir unsere Bücher und das Radio, abends Fernsehen. Das war eine völlig ausreichende Medienwelt.
LöschenWobei ich das Verbot der "körperlichen Zucht" tatsächlich als Fortschritt bezeichne welches auch damals schon mehr als überfällig war.
LöschenDie Vereinsamung weil irgendwelche Digets und Gadges wichtiger als soziale Kompetenz geworden sind, hingegen nicht.